466 II. 8. Der Aachener Kongreß.
Also nach zwei Jahren ein Entwurf der Grundzüge — welch ein
schimpflicher Gegensatz zu dem patriotischen Einmut der französischen
Kammern, die allen Parteihader sofort vergaßen wenn die Stärke des
Heeres in Frage stand! Ob und wann der Bundestag den Entwurf
seines Ausschusses genehmigen würde, blieb noch völlig zweifelhaft, da
nunmehr wieder der anmutige Zeitvertreib der Instruktionseinholung
begann; wer den Charakter dieser Versammlung kannte, mußte vorher
wissen, daß die unveränderte Annahme ganz undenkbar war. Metternich
aber in seiner unersättlichen Eitelkeit hatte die Stirn seinem Kaiser zu
schreiben: in dem Augenblicke der Räumung Frankreichs erlebe Deutschland
die Genugtuung, daß seine Kriegsverfassung vollendet, seine Wehrfähigkeit
gesichert sei — und empfing dafür den Dank des Monarchen, weil er
„die Militärangelegenheit dem erwünschten Ende zugeführt habe"“. Neun
Tage nachdem er diesen Lobspruch eingestrichen hatte, gestand er dem
Staatskanzler vertraulich (5. Nov.), alle Verhandlungen des Bundestags
über das Heerwesen seien bisher „nur Vorarbeiten“ gewesen!)
So geringfügig das unmittelbare Ergebnis seines Frankfurter Aufent-
haltes blieb, eine Befestigung seines Ansehens hatte Metternich allerdings
erreicht. Er galt jetzt allgemein als das weise Haupt der deutschen
Staatsmänner, selbst Wangenheim nannte ihn einen Heros der Politik.
Und als nun gar Kaiser Franz selber den Rhein hinabreiste, da erdröhnte
in den alten Krummstabslanden ein Jubel, der unwidersprechlich be-
wies, daß der Preußenhaß der Rheinländer nicht im Liberalismus, son-
dern in der klerikalen Gesinnung wurzelte. Stundenweit waren ihm die
Kölner entgegengezogen; Franz aber ließ sich die Huldigungen mit schlecht
verhehlter Schadenfreude wohl gefallen und schrieb unter einen Bericht
Metternichs, der ihm von der Kaisertreue des Rheinlands erzählte, zu-
frieden sein: „Dient zur angenehmen Wissenschaft.“ In dem bigotten
Aachen wurde der Osterreicher wo er sich zeigte mit stürmischem Hochruf
begrüßt, um den König und den Zaren kümmerte sich niemand; „der
Kaiser“, sagte man laut, „ist hier in seinem Land, de Prüß ist hier fremd."
Als König Friedrich Wilhelm seinen österreichischen Gast in das Münster
führte, empfing die gesamte Klerisei den Kaiser am Portale — wie der
Osterreichische Beobachter in einem unverschämten Artikel behaglich schil-
derte — und geleitete ihn zum Grabe Karls des Großen, wo ein Bet-
stuhl für ihn bereit stand und ihm die berühmten Reliquien dargereicht
wurden; währenddem stand der evangelische Landesherr dieser Geistlichen
mit seinem Kronprinzen unbeachtet zur Seite. Welch ein Auftritt! Dank
und Ehrfurcht für diesen Lothringer, der die Krone der Karolinger in
den Kot geworfen hatte, hier am Grabe des ersten Kaisers, in derselben
alten Krönungsstadt, wo er vierzehn Jahre zuvor eidbrüchig dem Kaiser-
*) Metternich an Hardenberg, 5. Nov. 1818.