Diktatur des Vierbundes. 477
der Schulden des früheren dänischen Gesamtstaates übernahm. Hart
genug kam ihm das freilich an. Einmal versuchte er sogar gegen die
Tyrannei des Vierbundes zu protestieren und schrieb an Kaiser Franz
(7. Jan. 1819) mit gascognischem Wortschwall: „Wahrlich, Sire, müßte
man nicht den Abgrund des Unglücks beklagen, in welchen die Völker und
die Regierungen zweiten und dritten Ranges stürzen würden, wenn die
Macht sich über die geheiligten Grundsätze der Vernunft und der Ge—
rechtigkeit erheben und sich befugt glauben wollte an die Stelle des
Völkerrechts zu treten, ja sogar nach Belieben einen Gerichtshof für die
Streitigkeiten der Nationen zu schaffen, und wenn also ein System ent—
stände, so wenig übereinstimmend mit jenen Grundsätzen politischen Frei—
sinns, für welche so viel Blut vergossen worden ist, und welche uns vor
sechs Jahren gegen den Eroberer vereinigten, der den Plan gefaßt hatte
eine souveräne Obermacht über einer allgemeinen und vollständigen Knecht—
schaft aufzurichten?!“ Metternich aber meinte trocken, das seien müssige
Diskussionen; und da die vier Mächte als Garanten des Kieler Friedens nur
verlangten was Rechtens war, so mußte der Schwede sich beugen.“) Mit
dem Fürsten von Monaco machte man noch weniger Umstände; Richelieu
erhielt den Auftrag, im Namen der großen Allianz diesen nichtsnutzigen
kleinen Despoten nachdrücklich zu christlichem Wandel zu ermahnen.)
So schaltete überall die Diktatur der großen Mächte, schonend in der
Form und für jetzt noch gerecht und friedfertig in ihren Absichten, doch
immerhin eine Diktatur, die allen Nichtgenossen lästig ward. Ohne die
kleinen Kabinette einer Anfrage zu würdigen, beschloß der Kongreß eine
neue Rangordnung für die Diplomatie — Botschafter, Gesandte, Minister-
residenten, Geschäftsträger — und die Vorschrift ward ohne weiteres von
allen Höfen befolgt. Auch über den gefangenen Imperator ward ver-
handelt, und hierbei zeigten sich die Minister des Zaren unter allen am
schroffften. Sie verwarfen jede Schonung gegen „das Individuum, in
dem sich die Macht der Revolution verkörpert habe", erklärten die Be-
schwerden des Gefangenen für „ebenso falsch als kindisch" — was in der
Tat zutraf —, billigten unbedingt alle Maßregeln Hudson Lowes und
verlangten die Ausweisung der Napoleoniden aus gefährlichen Orten,
vornehmlich aus Rom, wo „diese Individuen“ nur Unheil stifteten.“) So
weit wollten die anderen Mächte nicht gehen; man erneuerte nur die alte
Abrede strenger polizeilicher Aufsicht gegen die gefährliche Familie. Zu-
letzt traten auch die unvermeidlichen Juden auf den Plan. Rußland
empfahl eine Denkschrift eines christlichen Geistlichen, welche sich für die
vollständige Emancipation aussprach; doch da der Zar mit nichten geneigt
*) König Friedrich Wilhelm an den Konig von Schweden, 14. Nov. 1818; König
Karl XIV. Johann an Kaiser Franz, 7. Jan. 1819; Krusemarks Bericht, Wien Febr. 1819.
**) Protokoll der 42. Sitzung vom 21. Nov. 1818.
x** Russische Denkschrift über Buonaparte (Protokoll d. 31. Sitzung v. 13. Nov. 1818).