Metternich gegen das preußische Zollgesetz. 487
Zollgesetz veranlaßt hatten, entzogen sich dem Urteil des österreichischen
Staatsmannes gänzlich; seine Unwissenheit in allen nationalökonomischen
Dingen war wahrhaft staunenswert, und er fühlte diesen Mangel nie-
mals, da nach der alten Tradition der Hofburg solche schlicht bürgerliche
Geschäfte tief unter der Würde eines österreichischen Kavaliers standen.
Selbst Gentz, vor Jahren ein tiefer Kenner des Finanzwesens, hatte zu
Wien, im Verlaufe einer einseitig diplomatischen Tätigkeit, das sichere
Verständnis staatswirtschaftlicher Fragen nach und nach verloren. Wie
er während der napoleonischen Tage heillose Sophismen über die Staats-
schuld Großbritanniens in die Welt hinaussandte, weil die englische Allianz
dem österreichischen Interesse entsprach, so schrieb er jetzt ebenso verkehrte
Aufsätze über die blühenden Finanzen Österreichs. Da Osterreich an
einem deutschen Zollvereine nicht teilnehmen konnte, so verdammte er
alle dahin zielenden Pläne als Hirngespinste, als kindische Versuche, „den
Mond in eine Sonne zu verwandeln“. Von der nationalen Bedeutung
des preußischen Zollgesetzes ahnte man in der Hofburg gar nichts. Aber
Metternich fürchtete alles, was die Staatseinheit Preußens fördern konnte
und witterte revolutionäre Absichten hinter einer Reform, die von den
verdächtigen Berliner Geheimen Räten ausging. Auch hielt er sein
OÖsterreich wirklich für einen Musterstaat; dies lockere Nebeneinander halb-
selbständiger Kronländer und die Kirchhofsruhe, die über diesem Chaos
lag, entsprachen seinen Neigungen und es tat ihm wohl zu vernehmen,
wie lebhaft damals das patriarchalische Glück der Völker Osterreichs an
den meisten Höfen beneidet wurde. Die k. k. Provinzialmauten, welche
die Kronländer der Monarchie von einander absperrten, bewunderte er
um so aufrichtiger, da er von der Einrichtung dieser weisen Anstalten
nicht die mindeste Kenntnis besaß. Daher warnte er den Grafen Bern-
storff väterlich vor den Wirren, welche die Zollreform hervorrufen werde.
Er erinnerte ihn an Josephs II. verfehlte Zentralisationsversuche, schilderte
beredt die Vorzüge der österreichischen Binnenmauten und meinte ge-
mütlich, auch für Preußen würden Provinzialzölle am heilsamsten sein;
so bleibe der Staat bewahrt vor lästigen Verhandlungen mit den Nach-
barstaaten.') Aber Bernstorff und Hardenberg wiesen alle solche Zu-
mutungen nachdrücklich zurück.
Auch Metternichs wiederholte freundliche Warnungen vor der Durch-
führung des Verfassungswerks fielen bei dem Staatskanzler auf unfrucht-
baren Boden. Der Osterreicher merkte bald, daß Hardenberg seine konstitu-
tionellen Pläne in vollem Ernste betrieb. Um so eifriger suchte er sich die
*7) Als Metternich im Jahre 1828, nach dem Abschluß des preußisch-hessischen Zoll-
vereins, dem Gesandten v. Maltzahn diese Ansichten vortrug, bemerkte Graf Bernstorff
dazu: genau die nämlichen Ratschläge habe ihm der österreichische Kanzler schon auf dem
Aachener Kongresse gegeben. (Maltzahns Bericht, Wien 14. April 1828.)