506 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
mit der durch die eigenmächtige Aufhebung der Verfassungsurkunde her—
beigeführten Krise unzertrennlich verbunden sein würden.“ Der König
von Bayern wird demnach gebeten, sich über die Gesinnung seines Volkes
und seines Heeres klare Rechenschaft zu geben und vornehmlich zu erwägen,
ob ihm nicht die Verfassung selber ein Mittel biete zur Befestigung seines
Ansehens, z. B. die Auflösung der Kammer. Von dem Bundestage habe
er allerdings nichts zu fürchten, da der Art. 13 nur ganz im Allgemeinen
die Einführung einer ständischen Verfassung vorschreibe und Bayern doch
keinenfalls ganz ohne Landstände werde bleiben wollen.“)
Die preußische Antwort versprach also mit keinem Worte den Beistand,
welchen der bayrische Hof erwartete, sie war ein rundes Nein in diplo-
matischer Form und ward auch in München als eine Ablehnung auf-
gefaßt. Einige Tage nachdem sie eingegangen, meldete Zastrow, Graf Rech-
berg habe ihm mit tiefer Rührung gedankt, der beabsichtigte Staatsstreich
sei nunmehr aufgegeben, da die Kammer sich zu mäßigen beginne.*) In
der Tat hatte die Opposition unter der Hand einiges von den Plänen des
Hofes erfahren — die volle Wahrheit blieb ihr immer verborgen — und sich
beeilt durch den beredten Mund ihres Genossen Häcker ihre Treue gegen
den Vater der Verfassung zu beteuern; die stürmischen Hochrufe, mit denen
die Kammer und die Gallerien diese pathetische Rede aufnahmen, taten
dem Herzen Max Josephs wohl, und der Monarch, der soeben einen Staats-
streich geplant, spielte sofort wieder vergnüglich die Rolle des konstitutionellen
Musterfürsten. Eben in diesen Tagen, da Preußens Warnungen den
bayrischen Verfassungsbruch verhinderten, war die schöne, zur Verherr-
lichung der Konstitution geprägte Denkmünze fertig, und der König ließ
sie seinen getreuen Ständen feierlich überreichen, schenkte auch jeder Ge-
meinde des Königreichs ein Stück zur ewigen Erinnerung. Das ganze
Land frohlockte über die bayrische Freiheit und schimpfte auf Preußen; ohne
Schmähungen gegen den Staat des Freiheitskrieges konnte ein liberales
Jubelfest schon nicht mehr gefeiert werden. Alle bayrischen Blätter verglichen
ihren verfassungstreuen König wohlgefällig mit dem Despoten in Berlin.
Die Allgemeine Zeitung erzählte eine alberne Jagdgeschichte: ein Haufe von
fünfzehnhundert Bürgern sollte den Wagen König Friedrich Wilhelms am
Brandenburger Tore aufgehalten und unter dem drohenden Rufe: „wir
haben für das Vaterland geblutet,“ eine Verfassungspetition überreicht haben;
die Landwehrmänner der Torwache hätten sich geweigert einzuschreiten.
Noch kräftiger äußerte sich das bayrische Machtgefühl unter den Ab-
geordneten. Einige Mitglieder der Opposition übergaben dem Minister
Rechberg eine geheime Denkschrift, welche den König in seiner konstitu-
tionellen Gesinnung bestärken sollte. Da hieß es, das aus der europäi-
*) Ministerialschreiben an Zastrow, 11. Mai 1819.
*) Zastrows Bericht, 19. Mai 1819.