Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

508 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
schießen. Da erst entschlossen sich die Reichsräte, die Bewilligung der 
zweiten Kammer auf 7 Mill. zu erhöhen. Auch dies genügte dem Mon- 
archen noch nicht, und als er am 16. Juli mit einem halb ungnädigen Ab- 
schiede den Landtag schloß, kündigte er unbefangen an, daß er nötigenfalls, 
wenn seine Bundespflichten dies erheischten, das Militärbudget überschreiten 
werde. Der Versuch der Krone Bayern, dem deutschen Volke auf der 
Bahn der Freiheit voranzuschreiten, war, wie das preußische Ministerium 
nach München schrieb, „nicht eben sehr gut geraten“, ) kaum besser als 
die ebenso pomphaft angekündigte Verhandlung mit dem römischen Stuhle. 
Auf Seiten der Abgeordneten, obgleich die große Mehrzahl aus harm- 
losen Biedermännern bestand, doch eine starke Neigung zum Uberschreiten 
der kaum erst verliehenen verfassungsmäßigen Rechte; auf Seiten der 
Krone eine schimpfliche Schwäche, die heute schmeichlerisch um die Volks- 
gunst buhlte, morgen demütig den Beistand der Nachbarn gegen das 
eigene Land anrief. — 
Ein ungleich reicheres und bedeutsameres Schauspiel boten die Ver- 
handlungen des ersten badischen Landtags. Im Dezember 1818 war der 
unglückliche Großherzog Karl von seinen Leiden erlöst worden. Ihm folgte 
sein Oheim Großherzog Ludwig, ein schon ziemlich bejahrter Herr, hoch 
in den Fünfzigen, der seine glücklichsten Jahre im fridericianischen Heere 
verbracht hatte. Er lebte und webte noch in den Erinnerungen der rhei- 
nischen Feldzüge und erzählte mit Stolz, daß er einst das berühmte 
Bataillon Rhodich, das spätere erste Garderegiment, befehligt. Noch als 
Souverän trug er mit Vorliebe die preußische Uniform, führte bei seinen 
Truppen das preußische Reglement ein und bewarb sich sogleich um die 
Verleihung eines preußischen Regiments, die ihm auch durch Varnhagens 
Beflissenheit bald zuteil ward;*“) wenn bei der Garde eine Tresse oder 
ein Knopf verändert wurde, so versäumte sein Gesandter in Berlin nie, 
die Modelle der neuen Zieraten den diplomatischen Berichten beizulegen. 
Zur Zeit des Rheinbunds mußte er Napoleons Ungnade erfahren und 
viele Jahre auf dem einsamen Schlosse zu Salem verbringen. Damals 
hatte er den Wert höfischer Schmeicheleien kennen gelernt und sich mit 
einer harten Menschenverachtung erfüllt. Als er jetzt wieder aus der 
Vergessenheit hervortrat, nahm er das Beamtentum sogleich in strengere 
Zucht, brachte etwas Ordnung und Sparsamkeit in die zerfahrene Ver- 
waltung; die neue Verfassung aber konnte dieser Mann der alten Schule 
nur als eine lästige Fessel betrachten. 
Da Reizenstein sich bald verstimmt in die gelehrte Muße nach Heidel- 
berg zurückzog, so erlangte Berstett die entscheidende Stimme in der Re- 
gierung, neben ihm der neue Finanzminister Fischer, ein guter Rechner 
  
*) Ministerialschreiben an Zastrow, 7. August 1819. 
**) Varnhagens Berichte, 16. Dez. 1818, 4. April 1819.
	        
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