514 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
schaft der Markgräfin fühlte sich beleidigt, die Mutter des Zaren Alexander
rief dem badischen Geschäftsträger zu: „so wenig kann man auf die Dank-
barkeit der Völker zählen!“)
Durch das Ubermaß seiner Wünsche und die Kleinlichkeit seiner Be-
willigungen hatte der Landtag bereits alle Höfe tief verstimmt. Da be-
ging er noch einen letzten unbegreiflichen Fehler: er lehnte sich wider den
Bundestag auf und leider auch wider das klare Recht. Im April 1818
hatte der badische Hof die Rechtsverhältnisse der Mediatisierten und der
Reichsritterschaft durch ein Adels-Edikt geordnet, das ganz im Geiste der
rheinbündischen Bureaukratie gehalten war und offenbar wider die Vor-
schriften des Art. 14 der Bundesakte verstieß. Das Edikt wurde nachher
für einen Bestandteil der neuen Verfassung erklärt, doch der in seinem
Rechte schwer verletzte hohe Adel ließ sich nicht beschwichtigen, und die
Regierung geriet bald in peinliche Verlegenheit. Ganz so großmütig
wie der König von Preußen konnte diese kleine Krone die Verheißungen
der Bundesakte freilich nicht verwirklichen; aber wenngleich einzelne Forde-
rungen des Adels über alles Maß hinausgingen und das Haus Löwen-
stein sogar die Erhebung der Mainzölle für sich verlangte, so waren die
Mediatisierten doch auf Grund der Bundesakte und zahlreicher europäischer
Verträge unzweifelhaft berechtigt die Patrimonialgerichtsbarkeit und die
Ortspolizei zu beanspruchen. Die Regierung begann ihr Unrecht einzu-
sehen; sie wußte auch, daß sie die Ungunst, die ihr auf dem Wiener
Kongreß zuteil geworden, zumeist den beständigen Beschwerden des Adels
zu verdanken hatte. Vergeblich berief sie sich, gegen den Führer der Reichs-
ritter, Frhrn. von Venningen, auf „den Geist der Zeit, der in Süddeutsch-
land dem Adel nicht günstig sei“;*) die Mediatisierten bestanden auf ihrem
guten Recht und erlangten, wie früher erzählt, bei dem Aachener Kon-
gresse freundliches Gehör. In ernsten Schreiben mahnten die vier Mächte
den Karlsruher Hof an seine Vertragspflicht. „Wahrlich“, schrieb Kapo-
distrias an Berstett, „in diesem Augenblicke, wo alle Rechte des badischen
Hofes wieder unter eine doppelte Bürgschaft gestellt worden sind, kann
ein Appell an die Rechtschaffenheit seiner Politik unmöglich fruchtlos
bleiben 1%
So stand es in der Tat. Die Regierung durfte sich den recht-
mäßigen Anforderungen des Vierbundes, der die ganze Zukunft dieser
Dynastie soeben erst gesichert hatte, nicht versagen. Nach kurzem Schwanken
knüpfte sie neue Verhandlungen mit den Mediatisierten an, obgleich der
erbitterte Feind des hohen Adels, König Wilhelm von Württemberg, sie
dringend zum Widerstande gegen den Aachener Kongreß aufforderte. W)
*) Blittersdorffs Bericht, Petersburg 11. Aug. 1819.
) Reizenstein an Venningen, 22. Okt. 1818.
*7*# ) Kapodistrias an Berstett, Aachen Nov. 1818.
) Varnhagens Bericht, 10. Jan. 1819.