Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

536 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
August beharrte trotzdem auf seinem Entschlusse*) und sendete dann, 
nach Kotzebues Ermordung, seinen Geh. Rat Conta nach Frankfurt um 
den Antrag zu befürworten. Conta aber gewann „aus der Persönlichkeit 
der Bundesgesandten“ die Überzeugung, daß ein Bundesbeschluß nicht 
zu erreichen sei, und bemühte sich nur in einer vertraulichen Besprechung 
die Gesandten der unmittelbar beteiligten Staaten für eine gemeinsame 
Verabredung zu gewinnen.) 
Der Wiener Hof dachte anders als sein ratloser Bundesgesandter. 
Er wollte den weimarischen Antrag benutzen um sogleich durch den Bund 
einen Schlag wider die Universitäten zu führen. Mit Entsetzen vernahmen 
Gentz und Nesselrode die verwegene Sprache des Fürsten, der in solchem 
Augenblicke noch wagte, den freien Kampf der Meinungen, die Einheits- 
träume der deutschen Burschen zu verteidigen. Metternich aber meinte: 
„Mit Verachtung straft man den Altburschen nicht, er ist sie gewöhnt.“ 
In solchem Tone wagte jetzt ein österreichischer Staatsmann von dem 
berühmtesten Manne des deutschen Fürstenstandes zu reden; die Zeiten 
des Friedländers drohten sich zu erneuern. Graf Buol erhielt demnach 
Befehl, sich auf Beratung des weimarischen Antrags einzulassen, um 
dann einen Gegenantrag durchzuse etzen, welchen Gentz nach Adam Müllers 
Ideen ausgearbeitet hatte, ein Meisterstück polizeilicher Seelenangst. Die 
Reformpläne des Hauses Osterreich für Deutschlands Hochschulen liefen 
wesentlich auf zwei Vorschläge hinaus: es sollten die Studenten jeder 
Ausnahmestellung verlustig gehen und auch in Disziplinarsachen aus- 
schließlich der bürgerlichen Polizei unterworfen werden, da diese durch die 
Stiefelputzer und ähnliche Leute die Vergehen des jungen Volkes am leichte- 
sten erfahren könne; ferner sollten alle deutschen Regierungen sich verpflichten, 
keinen akademischen Lehrer, der wegen gefährlicher Lehren abgesetzt worden 
sei, jemals wieder anzustellen. Auf diesen letzteren Punkt kam es der 
Hofburg vornehmlich an. Gentz leitete alle Sünden der Jugend kurzweg 
von den ruchlosen Lehren ihrer Professoren her und versicherte mit eiserner 
Stirn, ganz unzweifelhaft seien Oken, Fries, Luden und Kieser die eigent- 
lichen Mörder Kotzebues. Kaiser Franz, mißtrauisch gegen alles was 
über seinen Gesichtskreis hinauslag, war derselben Ansicht; er ließ an allen 
Höfen die Annahme des k. k. Antrages dringend empfehlen und den König 
von Preußen persönlich um seine freundschaftliche Unterstützung bitten.) 
Aber die Langsamkeit der regelmäßigen Bundesverhandlungen bot doch 
einige Gewähr gegen Überraschungen. Als die übliche Instruktionseinho- 
lung begann und die Regierungen die schwierige Frage reiflich erwogen, da 
zeigte sich wieder, wie wenig das Osterreich Metternichs mit der deutschen 
*) Karl August, Reskript an Hendrich, 16. März 1819. 
*') Contas Bericht an den Großherzog, 4. Mai. Goltzs Bericht, Frankfurt 17. Mai. 
Blittersdorffs Bericht, Petersburg, 8. Mai 1819. 
*“*) Krusemarks Bericht, 21. Mai 1819. 
 
	        
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