Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

538 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
mochte die Versammlung nicht zu leiten. Der gutmütige Goltz zeigte sich 
seiner Stellung ebenso wenig gewachsen, er hatte soeben wegen einer un— 
geschickten Indiskretion seine Abberufung erhalten und nur mit Mühe 
die Verzeihung seines Hofes wieder erlangt.“) So konnte es geschehen, 
daß einige Gesandte der kleineren Staaten, Wangenheim, die beiden Hessen 
Harnier und Lepel, der Bremer Smidt u. a., insgeheim unterstützt durch 
den listigen Bayern Aretin, eine liberale Oppositionspartei bildeten, welche 
in einer Diplomatenversammlung durchaus unberechtigt war, weil sie sich 
nicht auf die Instruktionen der Höfe, sondern lediglich auf die persönlichen 
Überzeugungen der Gesandten stützte. Nicht ohne Übermut pflegten 
diese Kleinen in den Kommissionssitzungen den Gesandten der beiden Groß- 
mächte die Überlegenheit ihrer Bildung und ihrer Redefertigkeit zu zeigen. 
Die Liberalen waren zugleich die Vorkämpfer des Partikularismus, un- 
erschöpflich in Schlichen und Ränken um die Vollendung der Bundes- 
kriegsverfassung zu verhindern; eben jetzt zeigte Wangenheim seinen Ge- 
nossen unter der Hand eine von seinem Könige eigenhändig niedergeschrie- 
bene Denkschrift, welche, ganz im Sinne des Rheinbundes, die deutschen 
Souveräne gegen die militärische Diktatur der beiden Großmächte so ge- 
hässig aufzuwiegeln versuchte, daß Osterreich und Preußen in Stuttgart 
ernste Vorstellungen machen mußten.“) 
Rasche, durchgreifende Entschlüsse, wie sie der Wiener Hof brauchte, 
waren von dieser Versammlung nicht zu erlangen. Daher riet Gentz 
schon im April, man solle zunächst eine vertrauliche Verständigung mit 
den größeren Höfen herbeiführen, und Metternich ging auf den Vorschlag 
ein, sobald er von dem schleppenden Gange der Frankfurter Universitäts- 
kommission Kenntnis erhielt. Seine Absicht war, im Juli in Böhmen 
zu erscheinen und zunächst dem König von Preußen, der um diese Zeit 
das Teplitzer Bad zu gebrauchen pflegte, das Programm einiger provi- 
sorischen Bundesgesetze vorzulegen; denn nur Bundesgesetze, so ließ er 
wiederholt nach Berlin schreiben, könnten dem so weit vorgeschrittenen 
Übel der revolutionären Verschwörungen noch steuern, Maßregeln einzelner 
Bundesstaaten genügten längst nicht mehr.) War man mit Preußen 
einig, dann sollten die Vertreter der beiden Großmächte in Karlsbad mit 
den Ministern der größeren Bundesstaaten die Ausnahmegesetze verein- 
baren, welche der Bundestag ohne weitere Beratung anzunehmen und 
zu verkündigen hätte; denn wer unter den Kleinen durfte den neun mäch- 
tigsten deutschen Höfen, sobald sie sich ernstlich geeinigt hatten, zu wider- 
sprechen wagen? Nach Vollendung der Ausnahmegesetze sollten schließlich 
die Minister der Bundesstaaten im Winter sich zu Wien versammeln, 
um den Grundzügen der Bundesverfassung die seit 1815 verheißene Er- 
*) Goltzs Bericht an den König, 9. März 1819. 
#) Krusemarks Bericht, 11. Jan. 1819. 
* ) Krusemarks Berichte, Rom 4. Juni, Perugia 22. Juni 1819. 
 
	        
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