Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

540 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
Bundesglieder hätten sie die Anerkennung der europäischen Mächte erhalten, 
durch Felonie gegen den Bund würden sie ihr Dasein verwirken. So 
gewiß diese frivole Rechtsansicht dem völkerrechtlichen Charakter des deutschen 
Staatenbundes, der so oft und feierlich anerkannten Souveränität aller 
deutschen Fürsten ins Gesicht schlug: Karl August wußte wohl, was er 
von seiner Souveränität zu halten hatte, er war der Tor nicht, mit dem 
papierenen Schwerte eines Bundesverfassungsparagraphen den Macht— 
kampf gegen den erklärten Willen aller größeren Bundesstaaten aufzu— 
nehmen. Noch einmal, am Abend seines Lebens bekam er die Lüge der 
Kleinstaaterei, die ihn sein Tagelang gepeinigt, schwer zu empfinden; er 
mußte schweigend hinnehmen, was er nicht hindern konnte und behielt sich 
nur im stillen vor, die Karlsbader Beschlüsse so mild als möglich aus— 
zuführen. Nächst Weimar war die Kurie der freien Städte dem Wiener 
Hofe hochverdächtig: die ehrenfesten altväterischen Senate der vier Kom— 
munen verdankten diesen unverdienten Ruf dem wackeren bremischen 
Bundesgesandten Smidt, der zwar für die Bundesverfassung und das 
Haus Osterreich eine aufrichtige Bewunderung hegte, doch immerhin die 
Ausführung der Versprechen der Bundesakte ernstlich wünschte und durch 
seinen bürgerlichen Freimut zuweilen Anstoß gab. 
Gleich den kleinen Höfen blieb auch der Bundestag selbst ohne jede 
Nachricht von dem Karlsbader Unternehmen; er war, seit den Beratungen 
über die Universitäten, bei der Hofburg ganz in Ungnade gefallen, und 
Gentz sagte jetzt selber was vor kurzem noch als Hochverrat gegolten 
hatte: diese Versammlung sei um nichts besser als der Regensburger 
Reichstag. Sogar Graf Buol durfte nichts erfahren, und der unglück- 
liche Goltz mußte wieder dieselbe Rolle spielen, wie einst im Frühjahr 
1813, als er mit seiner Regierungskommission in Berlin unter den fran- 
zösischen Truppen saß, derweil der König in Breslau den Krieg gegen 
Frankreich vorbereitete. Nur gerüchtweise verlautete in Frankfurt, die 
Badekur, welche heuer so viele deutsche Minister nach Karlsbad führte, 
könne vielleicht auch politische Besprechungen veranlassen. 
Noch am 31. Juli sendete Smidt seinem Senate eine unschuldige 
Denkschrift über die Aufgabe, welche sich Deutschlands Staatsmänner auf 
den Karlsbader Besprechungen stellen sollten. Auch er hielt es für geboten, 
die aufgeregte öffentliche Meinung zu beschwichtigen, doch er wollte „die 
deutschen Völker“ mit den bestehenden Zuständen versöhnen, damit sie nicht 
immer von neuem durch den Anblick der politischen und wirtschaftlichen 
Wohlfahrt des besiegten Frankreichs erbittert würden, und empfahl daher 
dem Bundestage eine rege gemeinnützige Tätigkeit, wie der Bund sie bereits 
bei der Organisation des Bundesheeres, das nur leider noch gar nicht 
bestand, bewährt habe. Smidt hoffte, daß der Bundestag sich der Auf- 
hebung der deutschen Binnenmauten schrittweise nähern werde, warnte aber 
sorglich vor übertriebenen Hoffnungen, damit Osterreich, das des deutschen
	        
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