Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

558 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse. 
erkauft werden mußte. Die beiden Großmächte waren übereingekommen, 
der Karlsbader Versammlung zunächst nur drei Gegenstände aus dem 
Programme der Teplitzer Punktation zu sofortiger Beschließung vorzulegen: 
es sollten die Notgesetze wider die Presse, die Universitäten, die Dema- 
gogen alsbald vereinbart, dagegen die anderen Maßregeln zur Verstärk- 
ung der Bundesgewalt, und namentlich die Auslegung des Art. 13 bis 
zu den Minister-Konferenzen des nächsten Herbstes verschoben werden. In 
diesem Sinne sprach sich Metternich aus, als er am 6. August die erste 
der dreiundzwanzig Konferenzen, welche fortan bis zum 31. August fast 
allabendlich gehalten wurden, mit einer langen Rede eröffnete; er legte 
der Versammlung zugleich eine Punktation vor, welche mehrere Sätze 
der Teplitzer Verabredung wörtlich wiederholte, aber alles, was sich auf 
die beiden Großmächte allein bezog, wohlweislich verschwieg. Alle An- 
wesenden erklärten mit lebhaftem Dank ihre Zustimmung; nur Wintzin- 
gerode beantragte, auch die Auslegung des Art. 13 unter die dringenden 
Gegenstände der Beratung aufzunehmen. Sein König war gern bereit, 
eine von Bundes wegen festzustellende „Grenzlinie“ für die Rechte der 
Landtage, wie er sie früher selbst in Frankfurt und Wien beantragt, auch 
jetzt noch anzunehmen und also die Ansprüche seines Ludwigsburger Land- 
tags herabzustimmen; nur sollte diese Grenzlinie den besonderen Interessen 
Württembergs entsprechen. 
Mit Freuden ging Metternich auf diesen unerwarteten Antrag ein. 
Er faßte die Hoffnung, wie er seinem preußischen Freunde gestand, „wo- 
möglich der Abschließung eines übereilten Vertrages zwischen dem König 
von Württemberg und den Ständen seines Landes vorzubeugen,“ und ent- 
wickelte ausführlich die neue österreichische Doktrin, wonach der Art. 13 
nur Stände, nicht Repräsentativverfassungen erlauben sollte; eigne sich 
der Bund diese allein richtige Auslegung förmlich an, dann seien auch 
Bayern und Baden verpflichtet, ihre Verfassungen im ständischen Sinne 
abzuändern. Die große Mehrzahl stimmte eifrig zu; selbst Bayern und 
Baden schienen anfangs geneigt, sich die Wiener Auslegungskünste gefallen 
zu lassen;“) und im Rausche des Sieges, „in einer Art von Inspiration," 
wie er selbst bekennt, verfaßte Gentz am 19. August eine große Denkschrift 
„über den Unterschied zwischen den landständischen und Repräsentativ- 
Verfassungen" — das Außerste vielleicht, was die federgewandte Ge- 
wissenlosigkeit politischer Sophistik je geleistet hat. 
Mit geschickter Benutzung einiger Sätze Hallers und Adam Müllers 
führte er darin aus, wie die alten deutschen Landstände auf den von Gott 
selbst gestifteten Standes= und Rechtsunterschieden beruhten, das fremd- 
ländische Repräsentativsystem auf dem revolutionären Wahne der Volks- 
souveränität und der allgemeinen Rechtsgleichheit; dort eine starke, nur 
  
Bernstorff an Hardenberg, 8. 13. August 1819.
	        
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