560 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
wenig beschränktes Wahlrecht anbieten ließ. Bei solcher Gesinnung der
süddeutschen Höfe ließ sich ein Bundesgesetz, das die Rechte der Landtage
zugunsten der Kronen beschränkte, unfehlbar durchsetzen, wenn Osterreich
klug verfuhr.
Statt dessen verlangte Metternich die Rückkehr zu den alten Land-
ständen, und dies war für den Württemberger „der Übel ärgstes“, eine
schlechthin unannehmbare Zumutung. In seinem langen Streite mit
den Altrechtlern hatte König Wilhelm nur zu schmerzlich erfahren, daß
die gerühmten altdeutschen Stände leicht gefährlicher werden konnten als
eine moderne Volksvertretung. Hier blieb er fest, nicht aus Liberalismus,
sondern weil er für die Macht seiner Krone fürchtete. Eine ganze Reihe
württembergischer Denkschriften, zweideutig, widerspruchsvoll, in allen
Farben schillernd, wie die Politik des Schwabenkönigs selber, bekämpfte
den Vorschlag Osterreichs. Einmal verstieg sich Wintzingerode zu der
kühnen Behauptung: der Grundsatz der Volkssouveränität sei bereits zu-
gestanden: „die Partie ist angefangen, die Regierungen haben diesen Point
vergeben zu können geglaubt; wie sehr sie es bereuen mögen, die Partie
muß ausgespielt werden.“ Ein andermal wollte er umgekehrt dies gefähr-
liche Prinzip von Bundes wegen verboten wissen. In allen diesen Win-
dungen und Wendungen blieb nur Eines sicher: daß der württembergische
Minister die Wiederherstellung der alten Landstände unter keinen Um-
ständen zugeben durfte; unzweideutig wies er auf die Schwierigkeiten hin,
welche sich „aus der altwürttembergischen Verfassung, ihrer Aufhebung,
neueren Anerkennung und jetzigen Unanwendbarkeit“ ergäben. Inzwischen
war es ihm auch gelungen, die Minister von Bayern, Baden und Nassau
zu sich hinüberzuziehen; alle diese rheinbündischen Höfe kannten keinen
schlimmeren Feind ihrer monarchischen Vollgewalt als den Adel, der durch
die Erneuerung der alten Landstände unvermeidlich an Macht gewinnen
mußte. So trat die modern-bureaukratische Staatsansicht des Südens
mit einem Male den altständischen Anschauungen Osterreichs und der
norddeutschen Mittelstaaten scharf und bestimmt gegenüber. Der preußische
Minister, der sich lebhaft gegen das Repräsentativsystem, dies fremde auf
einen alten Stamm gepfropfte Reis ausgesprochen hatte, fand es jetzt doch
rätlich, um der Eintracht willen „die Verlegenheiten der württembergischen
Regierung nach Möglichkeit zu berücksichtigen“.)
Man beschloß endlich, wie Osterreich ursprünglich beabsichtigt hatte,
die bundesgesetzliche Auslegung des Art. 13 auf die Wiener Konferenzen
zu verschieben und sich vorderhand mit der Aufstellung eines allgemeinen
Grundsatzes zu begnügen, welchem alle Bundesstaaten beistimmen könnten.
Gentz mußte seine Denkschrift vorläufig zurücklegen und arbeitete nun-
mehr einen Präsidialvortrag aus, der als Einleitung der Karlsbader Be-
*) Bernstorff an Hardenberg, 25. August 1819.