572 II. 9. Die Karlsbader Beschlüsse.
die Karlsbader Konferenzen. Am 16. verlas er den ihm von Metternich
zugesendeten großen Präsidialvortrag und beantragte sodann die schleunige
Annahme der verabredeten Bemerkungen über den Art. 13, sowie der
vier Gesetze. Die meisten der Bundesgesandten lernten jetzt zum ersten
Male den Text der Karlsbader Beschlüsse kennen. Es war die wichtigste
und umfangreichste Vorlage, welche dem Bundestage je unterbreitet worden,
und für die Erledigung dieser Aufgabe setzte Buol, ohne daß ein Wider-
spruch laut ward, eine Frist von vier Tagen, eine Frist, welche bei den
Verkehrsverhältnissen jener Zeit nicht einmal zur Einholung der Instruk-
tion ausreichte. Am 20. September sollte die Abstimmung stattfinden,
während die Geschäftsordnung eine Frist von mindestens vierzehn Tagen
verlangte; die große Mehrzahl der deutschen Regierungen war also von
dem Wortlaut der Beschlüsse noch gar nicht unterrichtet, als sie in
Frankfurt durchgingen. Auch die verfassungsmäßige Beratung der An-
träge unterblieb gänzlich, und kein Gesandter unterstand sich dies zu
rügen.
Am Tage der Abstimmung wagte zwar niemand förmlich zu wider-
sprechen; aber zum Schrecken Osterreichs ergab sich, daß trotz allen Dro-
hungen doch nur ein Teil der Gesandten zur unbedingten Genehmigung
bevollmächtigt war. Viele warteten noch auf Instruktionen, Andere hatten
nach deutscher Weise allerhand Bedenken und Wünsche kundzugeben. So
fand der Dresdner Hof die Karlsbader Beschlüsse noch zu liberal und
ließ die Hoffnung aussprechen, daß überall in Deutschland, wie im
Königreich Sachsen, alle Druckschriften ohne Ausnahme der Zensur unter-
worfen würden. Auch Wangenheim brachte eine ganze Reihe von Aus-
stellungen vor — ein neuer Beweis für die Treulosigkeit des württem-
bergischen Hofes, nachdem Wintzingerode in Karlsbad allen vier Gesetzen
freudig zugestimmt; er hatte partikularistische Bedenken gegen die Exeku-
tionsordnung, er fand es zu hart, daß jeder Bundesstaat für die Haltung
seiner Presse verantwortlich sein sollte usw. Desgleichen Kurhessen
konnte eine Klage über die Exekutionsordnung, die so tief in die Rechte
der Souveränität einschneide, nicht unterdrücken.
Mit der höchsten Spannung sah die Versammlung darauf der Ab-
stimmung des luxemburgischen Gesandten entgegen. Jedermann wußte, daß
sein königlicher Herr, der alle deutschen Dinge mit geflissentlicher Gering-
schätzung behandelte, ihn ohne Instruktion gelassen. Aber Buol und Goltz
hatten ihm zugeredet, und Graf Grünne erklärte unbefangen: obwohl ohne
Vollmacht „wolle er sich von einem förmlich verfaßten Beschluß nicht länger
ausschließen" — worauf dann einige nichtssagende Vorbehalte zugunsten
der luxemburgischen National-Eigentümlichkeiten folgten. Jetzt erst war,
wie Goltz seinem Könige meldete, das Spiel gewonnen, „weil nur dadurch
scheinbare Einstimmigkeit erlangt und der fünfzehnten und sechzehnten
Kurie sowie den freien Städten der Vorwand zu abweichenden Auße-