Genehmigung der Karlsbader Beschlüsse. 573
rungen benommen werden konnte.“") Wenn der Vertreter des Königs
der Niederlande sich so sanftmütig fügte, wie sollten die Kleinen wider-
stehen? Die Gesandten der ernestinischen Häuser und der sechzehnten
Kurie sprachen ihr Ja, obgleich sie gestehen mußten, daß sie erst von einigen
ihrer Kommittenten Weisungen erhalten hätten. Unter den ausdrücklich
Zustimmenden war auch Weimar. Der Stimmführer der fünfzehnten
Kurie scheute sogar eine Lüge nicht und versicherte von Ihren Hochfürst-
lichen Durchlauchten zur Beistimmung angewiesen zu sein, obwohl er
nachweislich von den beiden Schwarzburg keine Instruktion empfangen
hatte. Nach alledem blieb auch den Gesandten der freien Städte nichts
übrig als „sich in Ermangelung einer besonderen Instruktion der bereits
ausgesprochenen Einstimmigkeit anzuschließen“.
Die Stimmeneinheit war erzielt, der Bundestag hatte sich den Be-
schlüssen der Neun unterworfen. Aber konnte man es wagen, diese selt-
same Abstimmung, wie sie vorlag, mit allen ihren Klauseln und Vorbe-
halten, der Ordnung gemäß in den Protokollen zu veröffentlichen? Sie
bewies doch nur zu deutlich — Goltz selbst gestand es seinem Monarchen —
„daß die Bereitwilligkeit sich nicht überall auf Uberzeugung, sondern mehr
auf Ergebung in die Umstände gründete". Sollte die öffentliche Meinung,
auf deren Unwillen man allerseits gefaßt war, durch eine großartige Kund-
gebung des Einmuts der deutschen Kronen zum Schweigen gebracht
werden, dann durfte Osterreich nach allen den Schlichen und Lügen dieses
unsauberen Handels auch vor einer letzten Fälschung nicht mehr zurück-
schrecken. Von Goltz und Plessen lebhaft unterstützt, stellte Buol den
Genossen vor, daß es „zur Erhöhung des zu machenden Eindrucks“ un-
umgänglich sei, das öffentliche Protokoll von allen Bemerkungen frei zu
halten..) Alle fügten sich ohne Zaudern. So ward denn die wirkliche
Abstimmung in einer tiefgeheimen Registrande vergraben, die „nur als
ein Beleg der Akten“ dienen und vielleicht bei späteren Beratungen
noch benutzt werden sollte.““) Das veröffentlichte Protokoll aber erzählte
von der „einmütigen“ Annahme der Karlsbader Beschlüsse und bestimmte,
daß alle vier Gesetze „sogleich in allen Bundesstaaten in Vollziehung
treten“ sollten. Erschütternd war der Eindruck, als die Deutschen plötzlich
erfuhren, daß der Bundestag, der für alle dringenden Anliegen der Nation
immer taub gewesen, die zur Knebelung ihres geistigen Lebens bestimmten
Zwangsgesetze in so würdeloser Hast, mit offenbarer Mißachtung der Vor-
schriften der Bundesakte, angenommen hatte. Die kleinen Höfe selbst
empfanden die Vergewaltigung so lebhaft, daß der preußische Gesandte
seiner Regierung dringend riet, den Bogen nicht zu überspannen und zu
*) Goltzs Bericht an den König, 28. Sept. 1819.
**) Goltzs Berichte an den König und an Bernstorff, 18., 22., 28. Sept. 1819.
*““) Zuerst veröffentlicht im Jahre 1861 in der Schrift von K. L. Aegidi, Aus
dem Jahre 1819.