Württembergische Ränke. 587
versuchte dann noch einmal bei einem Besuch in Karlsruhe den badischen
Hof zu einem liberalen Sonderbunde zu verleiten; aber weder der Groß—
herzog, noch der hochkonservative Berkheim, der ihm jetzt zur Seite stand,
wollten sich auf diese Zettelungen einlassen. Zur selben Zeit ließ König
Wilhelm die bayrische Regierung dringend bitten, daß sie doch ja bei der
Ausführung der Karlsbader Beschlüsse keine unnützen Bedenklichkeiten zeigen
möge; denn nachdem er selber jene Beschlüsse ohne Vorbehalt bekannt ge—
macht, durfte kein anderer deutscher Fürst liberaler scheinen als er.“)
Und diesen König, der so würdelos zwischen despotischen Neigungen
und liberalisierendem Ehrgeiz schwankte, pries sein treues Völkchen, in harm—
loser Unkenntnis, als den Hort und Halt germanischer Freiheit. „Nie
hat Württemberg eine ruhmwürdigere Stellung gehabt“, schrieb Wangen—
heim glückselig, „und wird sie ganz begriffen und einsichtsvoll behauptet,
so gewinnt es eine innere Stärke, die jeder äußeren gewachsen bleibt.“**)
Als König Wilhelm aus Warschau heimkehrte, erwarteten ihn die Bürger
Stuttgarts in hellen Haufen draußen am Tor, spannten ihm die Pferde
aus, zogen den Wagen selber vor das Schloß. Dort standen die Schul—
kinder und sangen „Nun danket alle Gott!“ Alles Volk stimmte mit ein,
ernste Männer vergossen Tränen der Rührung. Am Abend flammten
die Freudenfeuer auf den Bergen, und im Theater ward Uhlands Ernst
von Schwaben aufgeführt. Das Haus erdröhnte von Beifall, als ein
schwunghafter Prolog den Fürsten feierte, der in wildverworrener Zeit hoch—
herzig seinem Volke die Hand reiche: „Noch steigen Götter auf die Erde
nieder.“ Um dem Glanze schwäbischer Freiheit einen wirksamen Hinter—
grund zu geben, schilderte der Dichter auch die tiefe Finsternis der preu—
ßischen Zustände und sagte, mit Anspielung auf Görres:
Das ist der Fluch des unglücksel'gen Lands,
Wo Freiheit und Gesetz darniederliegt,
Und die noch jüngst des Landes Retter hießen
Sich flüchten müssen an des Fremden Herd.
So feierte ein deutscher Stamm einen Fürsten, der soeben die Russen
auf seine deutschen Bundesgenossen zu hetzen versucht hatte; des gemein—
samen Vaterlandes gedachte niemand mehr in dem Rausche württembergischer
Freiheitsbegeisterung. Seit der Deutsche Bund sich dem Volke entfremdet
hatte, erhob der Partikularismus wieder frech sein Haupt. In Ulm trat
eine große Anzahl württembergischer Offiziere unter der Führung des
Generals Hügel zusammen und sendete dem Könige eine von rheinbündleri—
schem Größenwahnsinn überströmende Adresse.“*) Die Bittsteller verherr—
lichten zunächst ihre „von dem Geiste der Wahrheit gezeugte, von der Liebe
*) Berstett an Großherzog Ludwig, Wien 12. Dez.; Zastrows Bericht, München
6. November 1819.
**) Wangenheim an Hartmann, 6. Nov. 1819.
*“*) Zastrows Bericht, 17. Nov. 1819.