Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

598 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe. 
dieser neueste Bericht war, obgleich er selbst das Gegenteil behauptete, 
erst nach lebhaftem Streite zustande gekommen. 
Hardenberg setzte sich sofort zur Wehr. Er versicherte nochmals, daß 
er gern bereit sei, auf den Befehl des Königs sich „mit dem dankbarsten 
Herzen in die Einsamkeit zurückzuziehen“, und bat den Monarchen, „dem 
Ministerium alle von ihm gewünschte Selbständigkeit zu geben“, auch die 
Einsendung der Ministerial-Protokolle zu genehmigen; aber dem Staats- 
kanzler müsse der regelmäßige Vortrag bei dem Monarchen verbleiben, 
„nach den mir zuzusendenden Berichten der Minister.“ Sichtlich gereizt 
wies er sodann darauf hin, wie der Bericht alles Ubrige leicht abfertige 
und die Beschränkung der Macht des Staatskanzlers als „die einzige 
Panacee“ betrachte. Die Auflegung neuer Steuern erklärte er für „unver- 
meidlich und notwendig zum Besten des Staates". Mehrmals warf er 
den Ministern vor, daß sie die „Verirrungen des Zeitgeistes, die Gefahr 
einer künftigen Generation von Revolutionsmännern“ viel zu leicht nähmen; 
und mit Entrüstung nahm er sich schließlich seines Freundes Wittgenstein 
an, „welcher in den sieben Jahren wo er die geheime Polizei leitete keinen 
Schritt getan, den ich nicht genau weiß."“ 
Das Zerwürfnis zwischen den beiden Nebenbuhlern war jetzt offen- 
kundig und verschärfte sich dermaßen, daß Bernstorff und Wittgenstein 
für nötig hielten sich von dem regelmäßigen Besuche der Sitzungen des 
Staatsministeriums entbinden zu lassen. General Witzleben, der den beiden 
Streitenden persönlich nahe stand und beide für unentbehrlich hielt, be- 
mühte sich umsonst für einen Ausgleich.') Hardenberg drohte mit seinem 
Rücktritt und erreichte, nachdem der König einen allzuscharfen Entwurf 
zurückgewiesen hatte, am 21. Oktober den Erlaß einer immerhin noch sehr 
ungnädigen Kabinettsordre, welche dem Ministerium das Befremden des 
Monarchen über die Oberflächlichkeit des letzten Berichts aussprach und 
den Staatskanzler in allen seinen Befugnissen bestätigte: in Zukunft sollten 
die Berichte der Minister zwar unmittelbar an die Krone gesendet werden, 
aber dem Kanzler gebühre das Recht zu bestimmen, über welche dieser Be- 
richte er selber Vortrag halten wolle.') Die Minister verblieben mithin 
in einer abhängigen Stellung, welche ihnen selber lästig und der raschen Er- 
ledigung der Geschäfte vielfach nachteilig, aber solange das Staatskanzleramt 
bestand schlechthin unvermeidlich war. Zum Schluß rügte der König noch, 
daß ihm die Abstimmungen der einzelnen Minister, seinem Befehle vom 
11. Januar zuwider, nicht eingereicht worden seien. Die Ubersendung 
dieser Gutachten hatten die Minister bisher wohlweislich unterlassen; auf 
  
*) Zwei Kabinettsordres an Wittgenstein und Bernstorff, 7. Okt. Witzleben, Denk- 
schrift über den Bericht des Staatsministeriums und die Randbemerkungen des Staats- 
kanzlers, Sept. 1819. 
*7) Zwei Kabinettsordres an den Staatskanzler und das Staatsministerium, 21. Okt. 
Hardenbergs Tagebuch, 12., 14. Okt. 1819.
	        
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