Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Die Opposition der drei Minister. 601 
Preußen.“ Es war das freimütige Glaubensbekenntnis eines friderici- 
anischen Patrioten, aber zur Entscheidung der vorliegenden Frage trugen 
diese Betrachtungen nichts bei. Auch Beyme ging von der Souveränität 
der Krone Preußens aus und erörterte, wie stark der völkerrechtliche Charakter 
des Bundes durch die jüngsten Beschlüsse verändert würde. Den Kern 
der Sache berührte keiner der drei Minister; keiner sagte frei heraus, daß 
die Karlsbader Politik einer törichten Angst entsprungen war und die 
Kräftigung der Bundesgewalt nur darum verderblich wirkte, weil sie nicht 
der nationalen Macht, sondern der Unterjochung der Geister dienen sollte. 
Bernstorff verteidigte sich sehr gewandt gegen Humboldts versteckte 
Angriffe. Er gestand offen ein: „daß der Bundesvertrag im Drange des 
Augenblicks als eine unreife Frucht aus übereilten Verhandlungen hervor- 
ging und streitende Ansichten und Interessen auf eine niemand befriedigende 
Weise ausglich, darüber war sich sogleich ganz Deutschland einig.“ In 
solcher Lage bleibe eben nichts übrig als den unfähigen Bundestag durch 
eine vertrauliche Verständigung zwischen den beiden Großmächten zu leiten. 
Seien die Karlsbader Beschlüsse gerechtfertigt — was Humboldt selbst nicht 
geradezu bestritten hatte — so dürfe man auch ihre Wirksamkeit nicht 
lähmen und am wenigsten den König mit sich selber in Widerspruch 
bringen. Alle übrigen Minister erklärten sich bedingt oder unbedingt gegen 
Humboldts Entwurf; Altenstein in einem charakteristischen Gutachten, das 
den Unmut des feinen Gelehrten über die Beschimpfung der Universitäten 
sehr deutlich verriet. „Alles was ich besorge ist einiger Druck“ — so 
lautete der deutsche Trost des wohlmeinenden Mannes — „allein ist er 
nur nicht ganz vernichtend, so schadet er wohl nicht viel. Die Wissenschaft 
erträgt solchen und gedeihet oft unter demselben gleich der Palme.“) 
Mittlerweile war Bernstorff zu den Wiener Konferenzen abgereist. 
Ohne ihn noch einmal zu befragen schritt das Ministerium am 3. Novem- 
ber zur Abstimmung. Humboldts Bericht ward verworfen, aber auch über 
die förmliche Billigung der Karlsbader Beschlüsse konnten sich die Minister 
nicht einigen. Das klägliche nunmehr seit Monaten anhaltende Schauspiel 
ratloser Uneinigkeit fand endlich damit seinen würdigen Schluß, daß man 
einfach das Protokoll dieser drei Ministerialsitzungen nebst einigen vor- 
gelesenen Gutachten, aber ohne einen Beschluß und ohne einen Bericht, 
dem Könige übersendete. Eine solche Regierung durfte nicht dauern, ein 
Wechsel, der ihr wieder Kraft und Einheit gab, war unabweisbar geboten. 
Hardenberg erkannte, daß er ein Ende machen mußte. Um den König 
für einen strengen Entschluß zu gewinnen rief er Ancillon zu Hilfe (11. 
November), sendete ihm die Protokolle des Ministeriums und schrieb: unter 
dem Vorwand die Souveränität der Krone und die Rechte ihrer Bürger 
zu verteidigen, stelle sich die Partei Humboldts tatsächlich auf die Seite 
*) Humboldts Bericht, 5. Okt. Vota von Bernstorff, Anfang Okt., von Beyme, 
20. Okt., von Boyen, 26. Okt., von Altenstein, 3. Nov. 1819. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.