Die Opposition der drei Minister. 601
Preußen.“ Es war das freimütige Glaubensbekenntnis eines friderici-
anischen Patrioten, aber zur Entscheidung der vorliegenden Frage trugen
diese Betrachtungen nichts bei. Auch Beyme ging von der Souveränität
der Krone Preußens aus und erörterte, wie stark der völkerrechtliche Charakter
des Bundes durch die jüngsten Beschlüsse verändert würde. Den Kern
der Sache berührte keiner der drei Minister; keiner sagte frei heraus, daß
die Karlsbader Politik einer törichten Angst entsprungen war und die
Kräftigung der Bundesgewalt nur darum verderblich wirkte, weil sie nicht
der nationalen Macht, sondern der Unterjochung der Geister dienen sollte.
Bernstorff verteidigte sich sehr gewandt gegen Humboldts versteckte
Angriffe. Er gestand offen ein: „daß der Bundesvertrag im Drange des
Augenblicks als eine unreife Frucht aus übereilten Verhandlungen hervor-
ging und streitende Ansichten und Interessen auf eine niemand befriedigende
Weise ausglich, darüber war sich sogleich ganz Deutschland einig.“ In
solcher Lage bleibe eben nichts übrig als den unfähigen Bundestag durch
eine vertrauliche Verständigung zwischen den beiden Großmächten zu leiten.
Seien die Karlsbader Beschlüsse gerechtfertigt — was Humboldt selbst nicht
geradezu bestritten hatte — so dürfe man auch ihre Wirksamkeit nicht
lähmen und am wenigsten den König mit sich selber in Widerspruch
bringen. Alle übrigen Minister erklärten sich bedingt oder unbedingt gegen
Humboldts Entwurf; Altenstein in einem charakteristischen Gutachten, das
den Unmut des feinen Gelehrten über die Beschimpfung der Universitäten
sehr deutlich verriet. „Alles was ich besorge ist einiger Druck“ — so
lautete der deutsche Trost des wohlmeinenden Mannes — „allein ist er
nur nicht ganz vernichtend, so schadet er wohl nicht viel. Die Wissenschaft
erträgt solchen und gedeihet oft unter demselben gleich der Palme.“)
Mittlerweile war Bernstorff zu den Wiener Konferenzen abgereist.
Ohne ihn noch einmal zu befragen schritt das Ministerium am 3. Novem-
ber zur Abstimmung. Humboldts Bericht ward verworfen, aber auch über
die förmliche Billigung der Karlsbader Beschlüsse konnten sich die Minister
nicht einigen. Das klägliche nunmehr seit Monaten anhaltende Schauspiel
ratloser Uneinigkeit fand endlich damit seinen würdigen Schluß, daß man
einfach das Protokoll dieser drei Ministerialsitzungen nebst einigen vor-
gelesenen Gutachten, aber ohne einen Beschluß und ohne einen Bericht,
dem Könige übersendete. Eine solche Regierung durfte nicht dauern, ein
Wechsel, der ihr wieder Kraft und Einheit gab, war unabweisbar geboten.
Hardenberg erkannte, daß er ein Ende machen mußte. Um den König
für einen strengen Entschluß zu gewinnen rief er Ancillon zu Hilfe (11.
November), sendete ihm die Protokolle des Ministeriums und schrieb: unter
dem Vorwand die Souveränität der Krone und die Rechte ihrer Bürger
zu verteidigen, stelle sich die Partei Humboldts tatsächlich auf die Seite
*) Humboldts Bericht, 5. Okt. Vota von Bernstorff, Anfang Okt., von Beyme,
20. Okt., von Boyen, 26. Okt., von Altenstein, 3. Nov. 1819.