Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Rücktritt von Boyen und Grolman. 605 
um seine Entlassung zu bitten. Die schroffe, fast trotzige Fassung dieses 
Schreibens mußte den König verstimmen; er hatte das Entlassungsgesuch 
Boyens anfangs wohlwollend aufgenommen, jetzt mutmaßte er, daß die 
beiden Freunde in geheimem Einverständnis handelten und erteilte beiden 
sichtlich unzufrieden den Abschied. Dem Kriegsminister sagte er zwar ein 
Wort der Anerkennung für seine früheren Verdienste, dem General Grolman 
aber verhehlte er nicht, daß ihm ganz unklar sei was er unter den trau— 
rigen Jahren seit 1815 verstehen solle.) 
Welch ein Unheil, daß zwei der treuesten und einsichtigsten Diener 
des Königs also im Unmut die Flinte ins Korn warfen, eben jetzt, da 
alle Guten fest zusammenhalten mußten. Der Wiener Hof begrüßte „diesen 
neuen Triumph der guten Sache“ mit lauter Freude; dort war Boyens 
fridericianische Gesinnung immer verrufen gewesen.') In der Armee 
ward der schwere Verlust allgemein beklagt. Clausewitz hielt sogar für 
nötig in einer geistvollen Denkschrift die politische Notwendigkeit des Land- 
wehrsystems darzulegen. Er zeigte, wie gering in Deutschland die Gefahr 
einer Revolution sei, wie nahe dagegen die Möglichkeit eines feindlichen An- 
griffs von zwei Seiten her, und verhehlte nicht, daß die Krone früher oder 
später die Vertreter der Nation um sich versammeln müsse wenn sie die neue 
Heeresverfassung behaupten wolle. Nachdrücklich warnte er die Männer von 
1806 „vor der Zertrümmerung eines Gebäudes, auf dem unser großartiges 
Schicksal in den Jahren 13, 14, 15 wie eine Siegesgöttin auf ihrem 
Streitwagen geruht hat“". 
Schon die nächsten Tage lehrten, daß alle solche Besorgnisse eitel 
waren und die beiden Generale voreilig gehandelt hatten. In einer Ka- 
binettsordre vom 22. Dezember erkannte der König mit herzlichen Worten an, 
wie glücklich bisher die Landwehr gediehen sei, wie willig das Volk die 
ihm auferlegten Opfer getragen habe, und befahl darauf eine neue Ein- 
teilung der Landwehr, welche „das Wesen des Instituts nicht im mindesten 
ändern“ sollte: sechzehn Landwehrbrigaden wurden gebildet und dem Divisions- 
verbande der Linie einverleibt. Die Division (diesen Namen führten die alten 
gemischten Brigaden seit 1818) bestand fortan, außer den technischen Truppen, 
aus einer Brigade Linieninfanterie, einer Brigade Landwehrinfanterie und 
einer Kavalleriebrigade. Damit wurde die Formation der Landwehr ge- 
schaffen, welche im wesentlichen bis auf die Tage des Prinzregenten be- 
standen hat. Die beiden Hälften der Armee traten in eine etwas engere 
Verbindung, die nur leider noch immer nicht fest genug war; durch die gemein- 
samen Ubungen der Divisionen hoffte man den Unterschied einigermaßen 
auszugleichen. Die unklare Vorstellung, als ob die Landwehr ein Dasein 
  
*) Witzleben an Hardenberg, 18. Dez., Grolmans Eingabe an den König, 17. Dez., 
Kabinettsordre an Grolman, 20. Dez., an Boyen, 25. Dez., Boyen an Hardenberg, 17., 
27. Dez., Hardenberg an Boyen, 25. Dez. 1819. 
**) Bernstorff an Hardenberg, Wien 25. Dez. 1819.
	        
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