Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Der Kampf gegen das preußische Zollgesetz. 611 
gescheuert, manch' einem schaute das Messer aus dem Gürtel; dann packten 
sie die schweren Warenballen auf, ein landesfürstlicher Mautwächter gab 
ihnen das Geleite bis zur Grenze und ein Helf Gott mit auf den bösen 
Weg. Der kleine Mann hörte sich nicht satt an den wilden Abenteuern 
verwegener Schmuggler, die das heutige Geschlecht nur noch aus altmodischen 
Romanen und Jugendschriften kennt. Also gewöhnte sich unser treues 
Volk die Gesetze zu mißachten. Jener wüste Radikalismus, der allmählich 
in den Kleinstaaten überhand nahm, ward von den kleinen Höfen selber 
gepflegt: durch die Sünden der Demagogenjagd wie durch die Frivolität 
dieser Handelspolitik. 
Als die Urheber solchen Unheils galten allgemein nicht die Klein- 
staaten, die den Schmuggel begünstigten, sondern Preußen, das ihn ernst- 
haft verfolgte; nicht jene Höfe, die an ihren unsauberen fiskalischen Kniffen, 
ihren veralteten unbrauchbaren Zollordnungen träge festhielten, sondern 
Preußen, das sein Steuersystem neugestaltet und gemildert hatte. Unfähig, 
die Lebensbedingungen eines großen Staates zu verstehen, stellten die kleinen 
Höfe alles Ernstes die Forderung, Preußen müsse jene reiflich erwogene, 
in alle Zweige des Gemeinwesens tief einschneidende Reform sofort wieder 
rückgängig machen, noch bevor sie die Probe der Erfahrung bestanden 
hatte — und halb Deutschland stimmte dem törichten Ansinnen zu. 
Außerhalb der preußischen Beamtenkreise wagten in diesem ersten 
Jahren nur zwei namhafte Schriftsteller das Werk Maassens unbedingt 
zu verteidigen. Der unermüdliche Benzenberg bewährte in seinem Buche 
„über Preußens Geldhaushalt und neues Steuersystem“ wieder einmal 
seinen praktischen Takt. Im Verkehre mit Hardenberg hatte er gelernt, 
den Staatshaushalt mit staatsmännischem Blicke zu betrachten. Er wußte, 
daß jede ernsthafte Kritik eines Steuersystems beginnen muß mit der 
Frage: welche Ausgaben dem Staate unerläßlich seien? — einer Frage, 
die von den meisten Publizisten jener Zeit gar nicht berührt wurde. So 
gelingt ihm nachzuweisen, daß Preußen seiner Zolleinkünfte nicht entbehren 
könne. Er scheut sich nicht das Wehrgesetz und die neuen Steuergesetze 
als die größten Wohltaten der jüngsten Epoche Friedrich Wilhelms III. 
zu loben; er verlangt, daß man sie gegen jeden Widerstand aufrecht halte, 
fordert die Nachbarstaaten auf, der Einladung des Königs zu folgen und 
mit Preußen wegen gegenseitiger Aufhebung der Zölle zu verhandeln. Dem 
Traumgebilde der Bundeszölle geht er hart zu Leibe. Er richtet an 
F. List (August 1819) einen offenen Brief und fragt, wie denn der Bundes- 
tag, „der keine Art von Legislation hat", eine solche Reform schaffen oder 
gar die Zollverwaltung leiten solle? und sei denn die Aufhebung der 
Binnenmauten möglich ohne gleichmäßige Besteuerung des inneren Kon- 
sums? Die Stimme des nüchternen Mannes verhallte in dem allgemeinen 
Toben; war er doch längst schon den Liberalen verdächtig, weil er ein 
offenes Auge für die Eigenart des preußischen Staates besaß. 
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