620 II. 10. Der Umschwung am preußischen Hofe.
männer hatten ein köstliches Gut zu hüten: die schwer errungene und noch
immer hart bedrohte handelspolitische Einheit ihres Staates. Sie mußten
sich von den Schwärmern bald des zaghaften Kleinsinns, bald des selbst-
zufriedenen Dünkels zeihen lassen, und indem sie bedachtsam auf dem
Bestehenden fortbauten, erreichten sie das hohe Ziel. —
Zur rechten Stunde fanden die Urheber des preußischen Zollgesetzes
einen mächtigen diplomatischen Bundesgenossen an dem neuen Referenten
für die deutschen Angelegenheiten, J. A. F. Eichhorn, den sein Chef Graf
Bernstorff auf dem Gebiete der Handelspolitik völlig frei schalten ließ.
Unter den Helden der Arbeit, welche in müden Tagen die großen Uber-
lieferungen Preußens mutig aufrecht hielten, in friedlichem Schaffen den
Grund legten für seine neue Größe, steht Eichhorn in vorderster Reihe.
Sein ganzer Lebensgang hatte ihn vorbereitet auf die Rolle des friedlichen
Bändigers der Kleinstaaterei. Im Löwensteinischen Wertheim war er auf-
gewachsen, an der lieblichen Ecke des Maintales und des Taubergrundes,
so recht im Herzen der verkommenen Staatenwelt des alten Reichs, und
sein Tagelang blieb es ihm unvergeßlich, wie er dort noch den Boten des
Reichskammergerichts in seiner altfränkischen Tracht die Befehle von Kaiser
und Reich hatte vollstrecken sehen. Begeistert von den Taten Friedrichs
war er dann gen Norden gegangen, um dem Staate seiner Wahl zu dienen,
und auch an ihm bewährte sich, daß Preußen die wärmste Liebe bei jenen
Deutschen findet, die sich dies Gefühl erst erarbeitet haben. Er mußte in
Cleve den Zusammenbruch der preußischen Herrschaft, dann in Hannover
1806 die fiskalischen Künste einer kleinlichen Annexionspolitik mit ansehen
und ward trotz alledem nicht irr an seinem Staate. Dann nahm er teil
an Schills abenteuerlichem Zuge und trat zu Berlin mit Stein und
Gneisenau, mit Humboldt, Altenstein, Kircheisen in vertrauten Verkehr;
sie alle ließen den unbekannten jungen Fremdling sofort als einen eben-
bürtigen gelten. Ein Schüler Spittlers, gründlich und vielseitig gebildet,
ward er als erster Syndikus der Berliner Universität auch persönlich mit
der gelehrten Welt näher bekannt; mit Schleiermacher verband den tief
religiösen Mann eine treue Freundschaft, der großen Theologenfamilie der
Sack gehörte er durch seine Heirat an. Die Zeiten des Befreiungskrieges
verlebte er gehobenen Herzens erst als Offizier in Blüchers Stabe, dann
als Mitglied von Steins Zentralverwaltung; hier fand er reiche Gelegen-
heit den kleinen deutschen Regierungen bis in das Innerste der Seele zu
blicken. Unerschüttert trug er die Begeisterung jener großen Jahre hin-
über in die stille Zeit des Friedens.
Als er in seinem vierzigsten Jahre die wichtige Stellung im Aus-
wärtigen Amte erhielt, da beseelte ihn die Hoffnung, eine solche Ver-
bindung, wie sie einst unter der Zentralverwaltung nur zeitweilig, unfertig,
unbeliebt bestanden hatte, auf die Dauer zu begründen, die deutschen
Staaten durch die Bande des Rechts, des Vertrauens, des Interesses