Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Zweiter Teil. Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. (25)

Das Enklavensystem. 623 
nur den achtzigsten Teil der preußischen Zolleinnahmen; doch durch den 
Schmuggel konnten sie den Finanzen Preußens hochgefährlich werden. 
Durch die heilsame Rücksichtslosigkeit der Berliner Finanzmänner 
erhielten die Enklaven freien Verkehr auf dem preußischen Markte, ihre 
Staatskassen die Zusage eines gesicherten reichlichen Einkommens, das sie 
aus eigener Kraft niemals erwerben konnten. Die preußische Regierung 
handelte in gutem Glauben; sie war bereit ihr eigenes Enklavensystem auch 
gegen preußisches Gebiet anwenden zu lassen; mehrmals erklärte sie, wenn 
ein süddeutscher Zollverein zustande komme, so müsse der enklavierte Kreis 
Wetzlar sich diesem Zollsystem unterwerfen.') Ganz unhaltbar war vollends 
die von den gekränkten Kleinfürsten oft wiederholte Anklage, Preußens 
Enklavensystem verletzte das Völkerrecht. Alle nach den Enklaven bestimmten 
Waren unterlagen von Rechts wegen den preußischen Durchfuhrzöllen; und 
wenn der Berliner Hof für gut befand, die Transitabgaben auf gewissen 
Straßen bis zur Höhe der Einfuhrzölle hinaufzuschrauben, so ließ sich recht- 
lich dawider nichts einwenden. 
Indem Eichhorn die Kleinstaaten einlud zu freundnachbarlichen Ver- 
trägen über die Behandlung der Enklaven, erklärte er zugleich die Bereit- 
willigkeit des Königs, auch über den Anschluß nicht-enklavierter Gebiete zu 
verhandeln. Er betonte den nationalen Charakter des Zollgesetzes, er hob 
hervor, dies Gesetz sei im Sinne des Art. 19 der Bundesakte gedacht, sei 
bestimmt, zunächst in einem Teile von Deutschland die Binnenmauten 
aufzuheben, sodann auch anderen Bundesstaaten den Anschluß zu erleichtern; 
der König verdiene den Dank der Bundesgenossen, da er begonnen habe, 
den deutschen Markt von der Herrschaft des Auslandes zu befreien. An 
dieser nationalen Richtung hat Preußens Handelspolitik seitdem unerschütter- 
lich festgehalten; die in späteren Jahren oft auftauchenden Vorschläge, etwa 
Belgien oder die Schweiz in den Zollverein aufzunehmen, wurden in 
Berlin stets kurzerhand zurückgewiesen. Nicht kosmopolitische Verkehrsfrei- 
heit war Preußens Ziel, sondern die Handelseinheit des Vaterlandes. Der 
König, sagt eine von Bernstorff unterzeichnete Note an das Kollegium der 
Geheimen Räte zu Gotha (v. 13. Juni 1819), beabsichtige durch das Gesetz 
vom 26. Mai „hauptsächlich den Handel mit außerdeutschen Landeserzeug- 
nissen zu besteuern und die Mitbewerbung außerdeutscher Fabriken von 
Ihren Staaten und von denjenigen Ländern abzuwehren, welche sich 
hierin an Ihre Maßregeln anschließen wollen.“ Er hege „den lebhaften 
Wunsch, die nur zur Besteuerung außerdeutscher Verbrauchsartikel und 
zum Schutze der preußischen Landesindustrie gegen die außerdeutschen 
Fabriken ergriffenen Maßregeln bundesverwandten deutschen Staaten, so- 
weit es ihre Lage irgend gestattet, nicht zum Nachteil gereichen zu lassen." 
Hierauf rät die Note, einen thüringischen Handelsverein zu bilden, der 
  
*) So u. a. in einer Denkschrift des Finanzministeriums vom 28. Dez. 1824.
	        
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