Verhandlungen mit Sondershausen. 625
welche das Enklavensystem ertragen mußten. Selbst Karl August von
Weimar betrachtete es als eine höchst anmaßende Zumutung, daß er seine
rings von Preußen umschlossenen Ämter Allstedt und Oldisleben dem
preußischen Zollsystem einfügen sollte, und ließ dem Berliner Hofe schreiben:
„Eine strenge Durchführung des Gesetzes vom 26. Mai scheint mit dem
Geiste und den Grundsätzen der Bundesakte so wenig in Einklang zu
stehen, daß nicht zu bezweifeln steht, es werde diese Angelegenheit Gegen—
stand der nächsten Verhandlungen des Bundestages werden und S. K.
Majestät von Preußen als Bundesfürst selbst geruhen, konziliatorische An—
träge deshalb an den Bund gelangen zu lassen.“)
Auf so naive Vorschläge konnte Eichhorn sich nicht einlassen. Er durfte
das Zollwesen der Provinz Sachsen nicht dem Belieben Osterreichs und
der Bundestagsmehrheit preisgeben, sondern gab sich der Hoffnung hin,
die Erkenntnis des eigenen Vorteils würde die kleinen thüringischen Dy-
nasten bestimmen auf das Anerbieten Preußens einzugehen und ihre
enklavierten Gebietsteile durch Verträge dem preußischen Zollsystem anzu-
schließen. In der Tat wendeten sich die kleinen Nachbarn allesamt so-
gleich an den Berliner Hof, aber nur um zu fordern, daß Preußen sein
Enklavensystem alsbald wieder aufhebe; wie dies möglich sein sollte, wußten
sie freilich nicht anzugeben. Besonders hart fühlte sich der wohlmeinende
Fürst Günther Friedrich Karl von Schwarzburg-Sondershausen getroffen.
Die Hauptmasse seines Reiches, die Unterherrschaft mit der Hauptstadt,
ein Land von fast 30,000 Einwohnern, war von preußischem Gebiet um-
schlossen und dem preußischen Zollwesen einverleibt; da die Krone Preußen
als Rechtsnachfolgerin von Kursachsen hier überdies das Postregal und
einige andere Hoheitsrechte ausübte, so blieb dem Fürsten von seiner
teueren Souveränität allerdings wenig übrig. Mit dringenden Bitten
mußten also erst der vielgeplagte gemeinsame thüringische Gesandte General
Lestoco, dann das Sondershausener Geheime Konsilium selbst den preu-
ßischen Hof bestürmen um „Zurücknahme einer Anordnung, in welche man
schwarzburg-sondershausenscherseits sich nie zu fügen entschlossen ist."
Minister Klewitz erwiderte verbindlich, durch einen Vertrag könne die
Angelegenheit ohne Schwierigkeit geordnet werden; er gewährte auch dem
Fürsten freundnachbarlich Freipässe für die Verzehrung seines Hofhalts,
aber eine Abänderung des Gesetzes schlug er rundweg ab, da die Gefahr
des Schmuggels aus den kleinen Nachbarlanden gar zu groß sei.“) In
Sondershausen wollte man den Wink nicht verstehen. Mehrere Monate
hindurch wurde die preußische Regierung immer von neuem mit der An-
*) Schreiben der Geh. Räte Edling und Conta an Graf Bernstorff, Weimar
26. Januar 1819. .
**) Lestocq an Bernstorff, 22. Jan.; Schreiben des Sondershausener Geh. Konsiliums
an Bernstorff, 27. Febr., an Klewitz, 9. Febr.; Klewitz an Kanzler v. Weise, 30. Jan.,
an Bernstorff, 18. März 1819.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. II. 40