Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

126 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
rufungszeichen und zwei- und dreifache Unterstreichungen suchte er zu 
ergänzen, was er trotz seiner seltenen Sprachgewalt nicht ausdrücken 
konnte; der klare Geist bedarf solcher Krücken nicht, weil er durch den 
Bau seiner Sätze den Leser zwingt, die Worte richtig zu betonen. Ihm 
fehlte auch die frische Kraft des Wollens. Die Offiziere bemerkten bald, 
daß er nicht zu befehlen verstand und seinen Geboten schlecht gehorcht 
wurde. Seine Stimmung sprang jählings um von gütiger Hingebung 
zu aufbrausender Heftigkeit, und sein blendender Witz gemahnte oftmals 
an den thatlosen Humor Hamlet's. Solche Bedenken wurden schon damals 
laut; General Wolzogen faßte sie höflich umschreibend dahin zusammen: 
gewiß, er ist ein Genie, aber ich zweifle, ob Preußen ein Genie ertragen 
kann. Für uns Nachlebende fällt noch ein räthselhaftes pathologisches 
Moment ins Gewicht, das der freimüthige Historiker zwar nur erwähnen, 
aber nicht verschweigen darf. Es ist möglich, daß die unheimliche Krank— 
heit, welche diesen reichen Geist am Abend seines Lebens mit ihrem näch— 
tigen Schleier bedeckte, schon in früheren Jahren sich auf Augenblicke 
angekündigt hat, und unzweifelhaft erwiesen, daß spätestens seit dem 
Jahre 1848 im Leben Friedrich Wilhelm's Wendungen eintraten, welche 
sich kaum anders als aus augenblicklicher Geistesabwesenheit erklären lassen. 
Die ersten Spuren dieser schrecklichen Heimsuchung werden wohl immer 
in Dunkel gehüllt bleiben. 
Um diese Zeit machten zwei neue politische Schriften in den hoch— 
conservativen Kreisen Preußens die Runde. Der Restaurator der Staats- 
wissenschaft gab jetzt den allgemeinen Grundsätzen seines großen Werkes 
die Nutzanwendung und sagte in seiner Schrift „über die Constitution der 
spanischen Cortes“ allen constitutionellen Bestrebungen so schonungslos 
den Frieden auf, daß die Behörden seiner Heimath für gerathen hielten, 
das Buch zu verbieten. Metternich aber gab dem spanischen Geschäfts- 
träger, als dieser für Oesterreich das gleiche Verbot forderte, die gelassene 
Antwort: erst möge man der spanischen Presse die Angriffe auf Oester- 
reich untersagen.') Und wohl hatte er Grund, den Berner zu beschützen. 
Denn grausamer war das Ideal der liberalen Doktrinäre noch nie miß- 
handelt worden. Wenn sich nur mit dieser wohlfeilen Kritik der radicalen 
Thorheiten einige historische Gerechtigkeit gepaart hättel Kein Wort davon, 
daß diese monarchische Verfassung ohne monarchische Gewalt entstanden 
war in einer Zeit, da König Ferdinand sein Land treulos verlassen hatte; 
kein Wort von den himmelschreienden Schandthaten des restaurirten 
Despotismus, welche das königstreue Volk zur Wuth gestachelt hatten. 
Nur „die Sophistenzunft, die mächtige Sekte, die in Frankreich den Thron- 
folger ermorden läßt," hatte dies Grundgesetz zu Stande gebracht, und nicht 
um seinetwillen, sondern um ihre eigene Souveränität zu gründen — 
  
*) Krusemark's Bericht, 27. Sept. 1820.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.