Ergebnisse des Troppauer Congresses. 169
durfte er jetzt hoffen, in einigen Monaten das Versäumte nachzuholen,
aber um welchen Preis waren Metternich's diplomatische Siege erkauft.
Die alte Eintracht der großen Allianz bestand nicht mehr unerschüttert.
Von Aachen aus hatten noch alle fünf Mächte gemeinsam zu Europa
gesprochen, das Troppauer Rundschreiben vom 8. Dec. war nur von den
Ostmächten unterzeichnet, und die laute Schadenfreude der liberalen Presse
zeigte, daß die Welt diese Wendung der Dinge verstand. Der französische
Hof schwankte freilich noch immer rathlos zwischen den Parteien. Während
die Ultras die Wiederherstellung der bourbonischen Macht in Neapel ver—
langten, predigten die Blätter der Opposition den Krieg wider Oesterreich,
und die neueste Haartour der Pariser Damen führte den unzweideutigen
Namen Chemin de Mayence. Zu Weihnachten gaben die französischen
Bevollmächtigten eine schüchterne Erklärung zu Protocoll, welche wie eine
halbe Zustimmung zu den Schritten der Ostmächte klang, aber dem Aller—
christlichsten Könige die Freiheit der Entschließung vorbehielt.“) Gleichzeitig
war indeß eine weit unfreundlicher gehaltene geheime Weisung aus Paris
eingelaufen; Marquis Caraman theilte diese Depesche eigenmächtig dem
Fürsten Metternich mit, und nun konnte der Oesterreicher dem Czaren
schwarz auf weiß beweisen, wie wenig auf die Meinung dieses doppel-
züngigen Cabinets zu geben sei.
England dagegen bekannte endlich Farbe. Am 19. Dec. verlas Lord
Stewart eine Note Lord Castlereagh's, die in aller Freundschaft, aber sehr
nachdrücklich erklärte, England könne sich nicht im Voraus auf die Grund-
sätze einer europäischen Interventionspolitik verpflichten, sondern halte fest
an seiner alten Meinung, daß die Mächte bei jeder Gefährdung des all-
gemeinen Friedens sich von Fall zu Fall frei verständigen müßten. Harden-
berg bemerkte in seinem Tagebuche zu dieser britischen Erklärung kurzab:
„Eigentlich erbärmlich!““*) Der Czar ließ der englischen Regierung hoch-
müthig antworten, ihre Note sei zu den Akten genommen und werde keine
anderen Folgen haben. In Wahrheit fühlten sich die Ostmächte lebhaft
beunruhigt; sie erkannten, daß Castlereagh's behutsamer Widerspruch zum
ersten male einen Keil in das feste Gefüge der großen Allianz getrieben
hatte. Noch war der Riß schmal, aber ein Ministerwechsel in London
konnte ihn nur erweitern; denn offenbar hatte das Tory-Cabinet allein
dem unwiderstehlichen Drucke der öffentlichen Meinung nachgegeben, alle
Parteien des Landes verdammten wie ein Mann das Troppauer Rund-
schreiben, die Whigs nannten den Bund der Ostmächte ein dreiköpfiges
Ungeheuer und fragten, ob diese apokalyptische Politik etwa die fünfte
Monarchie der Puritaner ins Leben rufen wolle.
*) Erklärung der französischen Bevollmächtigten, 24. Dec. 1820.
**) Englische Erklärung zum Protocoll, 19. Dec.; Hardenberg's Tagebuch, 19. Dec.
1820.