Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Revolution in Piemont. 181 
ruhmreiche Tricolore des Königreichs Italien. Ein Manifest der Auf- 
ständischen erinnerte an das Vorbild York's, der durch rühmlichen Un- 
gehorsam seinen König von dem Joche der Fremden erlöst habe. Traum- 
haft verschwommen, aber unverkennbar stand der Gedanke der nationalen 
Monarchie des Hauses Savoyen im Hintergrunde der phantastischen Pläne. 
Bernstorff errieth sofort, daß „diese Hyder aus Frankreichs Schooße her- 
vorgegangen“ sei"); und allerdings hatte sich die Verschwörung in jenen 
liberalen Turiner Kreisen vorbereitet, die mit der französischen Gesandt- 
schaft verkehrten. Eine Charte, der französischen ähnlich, war ursprüng- 
lich der Zweck der Verschworenen, und nur weil sie eines volksthümlichen 
Schlagworts bedurften, riefen sie schließlich die unglückliche spanische Ver- 
fassung aus. 
So gewann auch diese nationale Schilderhebung den Anschein, als 
wäre sie nur ein Glied in der Kette einer weltumspannenden radicalen 
Verschwörung. Der Erfolg schien Alles zu bestätigen, was Metternich 
über die Pläne der im Dunkeln schleichenden Partei vorhergesagt, und 
ohne Vorbehalt schloß sich der Czar jetzt dem untrüglichen Wiener Pro- 
pheten an. Die Ostmächte beschlossen (15. März) den Aufruhr un- 
verzüglich niederzuschlagen: die österreichischen Truppen in der Lombardei 
sollten sofort verstärkt und unterdessen ein russisches Heer von 80,000 
Mann über Ungarn herangezogen werden. Auch von Preußen erwarteten 
die beiden Kaiser, für den Nothfall mindestens, die Zusage bewaffneter 
Beihilfe. Bernstorff aber erwiderte sehr nachdrücklich, er müsse seinem 
Hofe die Freiheit der Entschließung vorbehalten, da der König seinem 
Volke keine Last auflegen wolle, die über die Verpflichtungen der Verträge 
hinausgehe. Zugleich kündigte er seine bevorstehende Heimkehr an und 
reiste in der That nach einigen Tagen ab. Die Kaiser ließen ihn ziehen, 
damit er daheim die gemeinsame Sache wirksamer unterstütze; er aber ver- 
ließ den Congreß um zu verhindern, daß Preußen tiefer als der König 
wünschte in die italienischen Händel verwickelt würde. General Krusemark, 
der nunmehr allein als preußischer Bevollmächtigter zurückblieb, konnte 
sich allen „weiteren lästigen Zumuthungen“ leicht entziehen, da er stets 
erst in Berlin anfragen mußte.“') So seltsam durchkreuzten sich am 
preußischen Hofe landesväterliches Pflichtgefühl und antirevolutionäre Ge- 
sinnung. Friedrich Wilhelm wollte die Kräfte seines Volkes den italienischen 
Plänen Oesterreichs nimmermehr opfern und übernahm doch unbedenklich 
vor aller Welt die Mitschuld an den herrischen Manifesten der Wiener 
Interventionspolitik, weil er in dem Bunde der Ostmächte die Bürgschaft 
für die Sicherheit seines eigenen Staates sah. Seine Haltung bewies, 
*) Bernstorff an Ancillon, 15. März 1821. 
**) Bernstorff's Bericht an den König, 15. März; an Hardenberg, 21. März; Ge- 
heimes Protocoll über Bernstorff's Erklärung, 15. März 1821. 
 
	        
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