248 III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
erworbenen Besitzungen wiederhergestellt. „Diese Verordnung“, schrieb er
zufrieden, „ist wesentlich antirevolutionär und restaurirend, eine Rückkehr
zur natürlichen Ordnung der Dinge.“ Niebuhr's geistvoller Freund Deserre
aber meinte bedenklich: wie seltsam, daß die jüngste der großen Monarchien
ihre Provinzialstände freiwillig wiederherstelle, während sie fast in allen
andern Großstaaten untergegangen seien! Und in der That stand es in
grellem Widerspruche mit allen Traditionen Preußens, daß dieser Staat,
der sich immer nur durch das kräftige Zusammenfassen seiner Macht hatte
behaupten können, jetzt einer romantischen Doktrin zu Liebe seine centri-
fugalen Kräfte selber wach rief. Gleichwohl erwiesen sich die Hoffnungen
der Altständischen bald als ebenso irrig, wie die Schadenfreude jener
föderalistischen Thoren, die schon den Tag kommen sahen, da der künst-
liche Bau des preußischen Staates wieder urwüchsiger Zersplitterung
anheimfallen würde. Was war denn im Grunde das Ergebniß dieser
langen Kämpfe? Der Versuch, den in der Verwaltung schon vollendeten
Einheitsstaat auch in die Verfassung einzuführen, war einfach gescheitert.
Das alte Verhältniß, das schon im 18. Jahrhundert bestanden, stellte sich
in modernen Formen vorläufig wieder her: in den Provinzen ständische
Körper ohne Macht und Leben, über ihnen eine Staatsgewalt, die alle
aufstrebenden Kräfte des Gemeinwesens in sich vereinigte. Die errungene
Staatseinheit ward mit nichten aufgelockert, es gelang nur für diesmal
nicht, sie zu verstärken. Ein Gewirr halbselbständiger Kronländer, wie in
dem belobten Oesterreich, konnte in diesem Staatsbau, der durch die festen
Klammern moderner Verwaltung zusammengehalten wurde, unmöglich ent-
stehen. Die ohnmächtigen Provinziallandtage vermochten nur wenig zu
leisten, aber auch den Werdegang der praktischen deutschen Einheit nicht
zu hemmen. Die unverwüstliche Gesundheit dieses Staates ließ das Fieber
des Particularismus nicht aufkommen. Verwaltung und Wehrpflicht,
Verkehr und Unterricht verbanden die Bewohner der Monarchie zu treuer
Gemeinschaft, zerstörten in stiller Arbeit alle die Kräfte des Widerstandes,
welche der Einheit des deutschen Staates noch im Wege standen. Als end-
lich nach einem Vierteljahrhundert die Provinzialstände zum Vereinigten
Landtag zusammentraten, da versammelten sich um den Thron nicht die
Vertreter von acht Provinzen, sondern die Bürger eines Staates, die
Söhne eines Volkes. Der alte Haß der Landschaften war vernichtet. —
Während dieser Verhandlungen blieb die Nation stumm und gleich-
giltig. Nur die Sache der Altständischen fand noch dann und wann
einen Vertheidiger in der Presse. Unter den Verfassungsfreunden herrschte
allgemeine Entmuthigung; auch Gneisenau war von den Hoffnungen
früherer Tage so weit zurückgekommen, daß er jetzt die Berufung der
Reichsstände entschieden widerrieth. Wohl schlich und zischelte in den
Salons der Hauptstadt noch eine gehässige Opposition, die jeden Schritt
des Königs, selbst seine besterwogenen Entschlüsse, selbst den Zollkrieg gegen