Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Drohungen der Ostmächte in Madrid. 275 
spanischen Cabinet, und wenn diese unbeachtet blieben Abberufung der 
Gesandten. Die beiden anderen Ostmächte nahmen den Vorschlag an, 
Wellington aber erhob am 1. Nov. förmlichen Einspruch und hielt sich 
fortan den Berathungen über Spanien absichtlich fern. Noch immer gaben 
Metternich und Bernstorff ihre friedlichen Hoffnungen nicht auf; sie 
wähnten, die diplomatische Verwendung in Madrid würde „die Gut— 
gesinnten“ in Spanien ermuthigen.“) Unfähig die Macht der nationalen 
Leidenschaften zu verstehen, ahnten sie nicht, wie eine so ganz unberechtigte 
Drohung auf den Stolz dieses Volkes, das einem Napoleon getrotzt hatte, 
wirken würde. 
Schritt für Schritt wurden sie nunmehr durch den Czaren abwärts, 
dem Kriege zu gedrängt. Am 18. Nov. verpflichteten sich die Mächte durch 
ein förmliches Protocoll, dem französischen Hof in drei Fällen den ver— 
heißenen Beistand zu leisten: wenn Spanien einen bewaffneten Angriff 
auf Frankreich oder einen Versuch revolutionärer Propaganda wage, wenn 
König Ferdinand abgesetzt oder sein und der Seinigen Leben bedroht, 
endlich wenn die legitime Thronfolge in Spanien geändert würde. Auch 
noch in anderen Fällen sollte die Hilfe eintreten, sobald die drei Mächte 
durch ihre Gesandten in Paris darüber einig würden. Dieser Zusatz 
klang freilich schärfer als er gemeint war; die deutschen Mächte hatten 
ihn wieder nur ungern, auf Alexander's Verlangen, angenommen und 
wieder nicht bedacht, wie stark der Thatendrang der Kriegspartei in den 
Tuilerien durch diese unbestimmten Verheißungen erregt werden mußte.“) 
Inzwischen wurden auch die nach Madrid abzusendenden Depeschen, aber— 
mals unter beständigem Drängen des Czaren, vereinbart. Die preußische 
(vom 22. Nov.) lautete besonders schroff, da der König den Eidbruch des 
spanischen Heeres tief verabscheute; sie entwarf ein furchtbares Bild von 
der spanischen Revolution und fragte sodann, ob die Madrider Regierung 
so offenbaren Uebeln steuern wolle und könne, ob sie namentlich dem 
König Ferdinand seine Freiheit zurückzugeben denke““) Trotz ihrer Schärfe 
sagten die drei Depeschen der Ostmächte doch nirgends mit Bestimmtheit, 
was man eigentlich von dem Madrider Cabinet verlangte. Sie waren 
offenbar darauf berechnet, die sofortige Abberufung der drei Gesandten 
vorzubereiten und konnten von der Cortesregierung nur mit einer stolzen 
Abweisung beantwortet werden; denn mit der nämlichen Forderung „Be- 
freiung des Königs"“ hatte Oesterreich einst von Troppau aus den Feldzug 
gegen Neapel eingeleitet. 
Mit diesen Nachrichten ging Montmorency am 21. Nov. nach Paris 
um die Genehmigung seines Königs zu erlangen, und hierauf übernahm 
  
*) So äußerte sich Ancillon noch in einem Ministerialschreiben vom 10. Dec. 1822. 
**) Bernstorff's Bericht an den König, 22. Nov. 1822. 
**) Bernstorff's Bericht, 17. Nov.; Weisung an den Geschäftsträger v. Schepeler in 
Madrid, 22. Nov. 1822. 
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