Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

296 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
Goltz, der die politisch unanfechtbare Sache Preußens mit zweifelhaften 
Rechtsgründen vertheidigte, gestattete dem Württemberger manchen kleinen 
Eintagserfolg; doch bald mußte Wangenheim bemerken, daß seine eigenen 
Freunde, Aretin vornehmlich, kopfscheu wurden. Wer konnte auch im 
Ernst glauben, daß Preußen einem Bundesbeschlusse sein Zollsystem opfern 
würde? — und — meinte Blittersdorff in seiner frivolen Weise — „glück— 
licherweise bietet die Bundesgesetzgebung Ausflüchte genug dar um jede 
Sache beliebig in die Länge zu ziehen“. Auch Graf Buol, der anfangs 
dem Streite mit Schadenfreude zugesehen hatte, zog sich besorgt zurück, 
seit Wangenheim's Absicht eine dritte Macht in Deutschland zu gründen 
immer dreister heraustrat. Den feindseligen Ausschußberichten, welche den 
preußischen Staat, unter dem Jubel der liberalen Presse, mit argen Vor— 
würfen überhäuften, folgte kein entscheidender Beschluß; die leidige Sache 
ward verschleppt, bis nach langen Jahren Anhalt freiwillig den preußischen 
Forderungen nachgab. — 
Einen wohlthuenden Gegensatz zu diesen particularistischen Thorheiten 
bildete Wangenheim's Verhalten in den Streitfragen des Verfassungs— 
rechts der Bundesstaaten. Hier zeigte sich Alles was tüchtig war in dem 
seltsamen Manne: sein Freimuth, sein Rechtsgefühl, sein Wissen und 
sein Fleiß. Er wurde die Seele des Ausschusses für Beschwerden und 
Petitionen, der denn auch in der Hofburg als Feuerherd der Bundestags- 
Demagogie betrachtet wurde. Freilich blieb diese rastlose Thätigkeit 
ebenso unfruchtbar wie der Bundestag selber, aber Wangenheim verstand, 
sie für den Gedanken des Bundes der Mindermächtigen zu verwerthen. 
Er unterhielt mit der liberalen Presse lebhaften Verkehr, und bald meldeten 
die Zeitungen fast allwöchentlich, wie tapfer sich Württemberg wiederum 
in Frankfurt aller Bedrängten angenommen habe. Der Glaube an die 
liberale Gesinnung der süddeutschen Höfe begann schon zum allgemeinen 
Vorurtheil zu werden. Auch das Ausland eignete sich diese Ansicht an, 
schon weil die tonangebende französische Presse in den Staaten der Trias 
die Verbündeten Frankreichs liebte; der amerikanische Publicist A. Everett, 
der im Jahre 1822 die deutschen Dinge ärger fand als die Zustände 
Hinterasiens, sah in dieser großen Wüste der Knechtschaft nur eine Oase: 
Württemberg und seine Nachbarlande. 
Wangenheim's Berichte über den Detmolder Verfassungsstreit, über 
die Klage der alten Stände Schleswig-Holsteins gegen die dänische Re- 
gierung erregten in den Zeitungen dankbare Anerkennung, in der Hof- 
burg wachsenden Unwillen; doch ein Sturm des Unmuths ging durch 
das österreichische Lager, als der Württemberger sich auch der westphälischen 
Domänenkäufer, die von den hessischen Gerichten auf Befehl des Kurfürsten 
ungehört abgewiesen wurden, tapfer annahm. Vor wenigen Jahren hatte 
freilich der Bundestag selber sich für diese Unglücklichen verwendet, jetzt aber 
war den Diplomaten der Eschenheimer Gasse der Muth gesunken; sie wollten
	        
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