Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

312 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
Inzwischen fühlte Wangenheim schon wie der Boden unter seinen 
Füßen schwankte. Er erfuhr, daß General Langenau eine Denkschrift über 
den Bundestag nach Wien gesendet hatte, welche von der Partei des 
Württembergers ein wenig schmeichelhaftes Bild entwarf.)) Sofort ant- 
wortete er dem mächtigen Gegner mit boshafter Verhöhnung, indem er 
selber eine falsche „Langenau'sche Denkschrift“ verfertigte, die, unter der 
Hand am Bundestage verbreitet, nachher auch den Weg in die Presse 
fand und, obwohl sie den Stempel der Erfindung unverkennbar an der 
Stirn trug, doch zwei Jahrzehnte hindurch in der liberalen Welt als ein 
Probestück österreichischer Tücke galt. Der württembergische Schalk legte hier 
dem k. k. General den Plan der Epuration des Bundestages in den Mund, 
denn währe die Opposition in Frankfurt noch länger, dann würden „die 
Völklein endlich an die Möglichkeit glauben, daß sie ein Volk werden 
könnten“. Wenn man auch nur die Abberufung eines einzigen der auf- 
sässigen Bundesgesandten erzwänge, so würden die anderen, „um sich in 
ihren einträglichen und zugleich ruhigen Posten zu befestigen, selbst dazu 
mitwirken, ihre Höfe den österreichischen, also auch den preußischen An- 
und Absichten aus treuer Anhänglichkeit an das alte Kaiserhaus entgegen- 
zuführen". So sicher sah der wunderliche Hitzkopf seinen Sturz voraus, 
und doch konnte er es nicht lassen, recht eigentlich den Teufel an die 
Wand zu malen. 
Alle Rücksichten der Klugheit geboten dem Könige, der Rachsucht des 
Wiener Hofes jetzt keine Blöße mehr zu geben. Seit der Mittenwalder 
Zusammenkunft mußte er wissen, wie wenig er auf die Hilfe seines russi- 
schen Schwagers zählen konnte. Er ward aber durch diesen Mißerfolg 
nur in seinem Uebermuthe bestärkt: Europa sollte wissen, daß Württem- 
berg auch allein stark genug sei, den Kampf gegen die großen Mächte auf- 
zunehmen. Während die anderen kleinen Höfe allesammt das Veroneser 
Rundschreiben der drei Ostmächte mit der gewohnten Unterthänigkeit 
aufnahmen, befahl König Wilhelm seinem Minister eine feierliche Ver- 
wahrung dawider einzulegen. Umsonst hielt ihm Wintzingerode die offenbare 
Unklugheit eines solchen Unterfangens vor. Wohl mußte die Veroneser 
Erklärung durch ihren diktatorischen Ton das Selbstgefühl der kleinen 
Staaten kränken, aber eine Rechtsverletzung enthielt sie nicht, am wenigsten 
ein Unrecht gegen Württemberg. Denn die deutschen Angelegenheiten 
waren in Verona, allerdings gegen Metternich's ursprüngliche Absicht, gar 
nicht zur Sprache gekommen, und zur Verständigung über die Bundes- 
politik hatten Oesterreich und Preußen soeben die größeren deutschen Re- 
gierungen, auch die württembergische, freundnachbarlich nach Wien ein- 
geladen; ihre Schuld war es doch nicht, daß der Stuttgarter Hof die 
– — — 
  
*) Blittersdorff's Bericht, 28. Juni; dessen Denkschrift über die deutsche Politik, 
18. Febr. 1822.
	        
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