Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

334 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
das constitutionelle Wesen konnte sich der alternde König nie recht finden, 
und mit Bangen sah er dem nächsten Landtage entgegen, der ein beträcht— 
liches Deficit decken sollte. Zudem stand die Demagogenverfolgung eben 
jetzt in voller Blüthe. In München wurden Dr. Eisenmann und einige 
andere brave junge Männer, auf eine Anzeige aus Berlin, verhaftet. In 
Erlangen wollte man bei gefangenen Soldaten einen Plan entdeckt haben, 
der darauf hinauslief, den König mitsammt seinen Ministern zu beseitigen 
oder gar zu erhängen, wie ängstliche Gemüther behaupteten: nur den 
liberalen Lerchenfeld dachten die jungen Unholde zu verschonen. Die 
Kinderei machte doch tiefen Eindruck bei Hofe, und dem liberalen Minister 
gereichte die Verehrung, welche ihm die Demagogen erwiesen, nicht zum 
Vortheil. Er war schon mehrmals seinem Sturze nahe gewesen und hatte 
es hinnehmen müssen, daß sein geistvoller Freund Ignaz Rudhart, wegen 
eines freimüthigen Buches über das Bundesrecht, in die Provinz versetzt 
wurde. Die um den Nuntius geschaarte ultramontane Partei trat täglich 
kecker auf; in der Frauenkirche hielt Pfarrer Hoek, geschützt von seinem 
Erzbischof, Schmähpredigten wider die Protestanten. Eine Schrift von 
Alexander Müller „Preußen und Baiern im Concordate mit Rom“ wurde 
verboten, weil sie die alte fridericianische Kirchenpolitik vertheidigte.) 
Unheimliche Gerüchte von hierarchischen Umtrieben durchliefen das Land 
und beunruhigten die protestantische Bevölkerung. Als der König, um den 
protestantischen Gemeinden eine größere Selbständigkeit zu geben, die Er- 
wählung von Presbyterien anordnete, da stieß er bei seinen Franken auf 
zähen Widerstand. Anselm Feuerbach eiferte in leidenschaftlichen Streit- 
schriften wider den Versuch, die lutherische Freiheit durch calvinische Sitten- 
zucht zu beschränken, er bestritt dem katholischen Landesherrn die oberst- 
bischöfliche Gewalt, verlangte ein besonderes Cultusministerium für die 
protestantische Kirche und ließ sich auch nicht beschwichtigen, als Schleier- 
macher und sogar der Todfeind der Priesterherrschaft, Paulus den offenbar 
wohlgemeinten Plan des Königs vertheidigten. Das Mißtrauen war 
unüberwindlich, die Krone mußte nachgeben. Tief erschüttert durch den 
Tod seines Lieblings Eugen Beauharnais zeigte sich Max Joseph in diesen 
Tagen noch weicher und lenksamer als sonst. Rechberg stand in höchster 
Gnade und verstand diese Stimmung zu benutzen. Er wurde nicht müde 
dem preußischen Gesandten zu versichern, sein König werde sich herzlich 
freuen, wenn ihm der Bund eine Reform seiner Landesverfassung ermög- 
lichec; der Antrag darauf könne freilich nicht von Baiern, sondern nur von 
den Großmächten ausgehen.“) 
In den letzten Maitagen traf Metternich in Tegernsee ein, im Ge- 
folge des Erzherzogs Franz Karl, der sich dort mit der Tochter des Königs, 
  
*) Berichte von Zastrow, 26. Febr.; von Küster, 3., 6. Aug. 1823, 28. April 1824. 
*“) Küster's Berichte, 31. März, 9., 23. Mai 1824.
	        
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