Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

348 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
der erste fast, der im behäbigen Altbaiern modernen Unternehmungsgeist 
erweckte. Auch Graf Bentzel-Sternau machte viel von sich reden, ein alter 
Bonapartist, der vor Zeiten im Großherzogthum Frankfurt Dalberg's ver— 
trauter Minister gewesen war, jetzt aber auf seinem Landhaus am Züricher 
See zweifelhafte Dichtungen im Stile Jean Paul's anfertigte und zugleich 
den deutschen Flüchtlingen gastlich Obdach gab. Er wirkte eifrig für pro— 
testantische Aufklärung und trat endlich förmlich zur evangelischen Kirche 
über. Seine Erfahrungen aus dem Landtage legte er nachher in den 
„Baierbriefen“ nieder, einem mehrbändigen Briefwechsel zwischen Reikiavik 
und Hochwittelsbach, dessen wunderlicher witzelnder Wortschwall im Grunde 
nur die eine Wahrheit erwies, daß die Geschicke des Erdballs sich um das 
Münchener Ständehaus bewegten. 
Wie bescheiden auch die Mehrheit des Landtages auftrat, sie mußte 
doch bald fühlen, daß jetzt ein anderer Wind am Hofe wehte. Seit jener 
Unterredung von Tegernsee hatte sich Zentner seinen Gegnern Rechberg 
und Thürheim genähert, und Lerchenfeld stand bereits so vereinsamt, daß 
er im Ministerrathe der Verlängerung der Karlsbader Beschlüsse nach 
einigem Bedenken schließlich selber zustimmen mußte.“) Im Saale an der 
Prannersgasse hatte man in der Zwischenzeit die Logen für den Hof und 
die Diplomatie beträchtlich erweitert, so daß der allgemeine Zuhörerraum 
sich verkleinerte; und derselbe Geist kleinlicher polizeilicher Angst bekundete 
sich auch in der Geschäftsordnung, welche die Minister, um ihre Frank— 
furter Zusagen zu erfüllen, dem Landtage alsbald vorlegten. Die Vorlage 
ging sogar weit über die Bundesbeschlüsse hinaus, sie enthielt nicht nur 
sehr scharfe Bestimmungen wider den Mißbrauch der Redefreiheit, sondern 
auch die Vorschrift, daß kein Abgeordneter fortan einen förmlich aus— 
gearbeiteten Gesetzentwurf einbringen dürfe; damit war das beschränkte 
Recht der Initiative, das dem Landtage nach der Verfassung zustand, ganz 
unter der Hand durch einen Paragraphen der Geschäftsordnung fast gänz- 
lich beseitigt. In einer Reihe geheimer Sitzungen wurden diese Vorschläge, 
unter begreiflicher Erregung, erörtert. Vergeblich warnte Rudhart: „ohne 
Oeffentlichkeit zerfällt die Verfassung in sich.“ Die Mehrheit unterwarf 
sich den Beschlüssen des Bundestags; sie wußte wohl, daß die reaktionäre 
Partei am Hofe entschlossen war, die Geschäftsordnung dem Landtage 
nöthigenfalls durch einen königlichen Befehl einfach aufzuerlegen.) 
An anderen gesetzgeberischen Ergebnissen war diese Tagung sehr arm; 
auch die drei Gesetze vom 11. Sept. 1825 über Niederlassung und Ge- 
werbebetrieb entsprangen nicht einem staatsmännischen Plane sondern der 
Verlegenheit. Die Regierung fühlte lebhaft die Unhaltbarkeit des alten 
Zunftwesens, aber sie wagte auch nicht mit den tief eingewurzelten Vor- 
*) Küster's Bericht, 11. August 1824. 
**) Küster's Bericht, 8. September 1824.
	        
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