Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

386 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
nisches Recht nicht gegen ein theilweise veraltetes Gesetzbuch vertauschen 
wollte. Er lenkte ein, befahl zunächst die Revision des Landrechts abzu— 
warten und gestattete den Rheinländern — nachher auch den anderen 
Provinzen — sich durch eine ständige Deputation bei der Bearbeitung 
der Provinzialrechte zu betheiligen. Unterdessen hatte Danckelmann das 
große Revisionswerk, das unter Beyme's schlaffer Leitung ganz ins Stocken 
gerathen war, in seine rüstige Hand genommen und eine Anzahl nam— 
hafter Juristen, Savigny, Sethe, Kamptz, Sack, Simon u. A., zu einer 
Commission zusammengerufen, welche den ungeheuren Stoff in sechzehn 
Pensa unter sich vertheilte; auch eine Sammlung der neunundfünfzig 
Provinzialrechte der Monarchie war beabsichtigt. Der König mahnte zur 
Eile. Die Commission aber mußte bald einsehen, daß ganze Theile der 
fridericianischen Gesetzgebung, zumal das Strafrecht, in der verwandelten 
Zeit einer vollständigen Umgestaltung bedurften, und zu einem solchen 
Unternehmen war die deutsche Rechtswissenschaft in ihrem gährenden Ueber- 
gangszustande noch nicht gerüstet. So zog sich die Arbeit unabsehbar in 
die Länge. 
Der zweite Angriff der altländischen Juristen war abgeschlagen, das 
französische Recht blieb den Rheinländern noch auf lange hinaus gesichert. 
Aehnliche Kämpfe spielten zur selben Zeit (1827) im Großherzogthum 
Hessen. Dort legte Minister Grolmann dem Landtage, auch er unzweifel- 
haft in guter Absicht, eine neue Gerichtsordnung vor; aber auch dort traten 
die Abgeordneten des linken Ufers einmüthig für ihr rheinisches Recht in die 
Schranken, und der Minister mußte seinen Entwurf, der ohnehin nur 
unfertiges Stückwerk war, alsbald zurückziehen. Den Rheinländern wurde 
die Rückkehr zum deutschen Leben durch diese unbedachten Versuche der 
altländischen Gesetzgeber nur erschwert. Daß der Code Napoleon ein Ge- 
setzbuch der Freiheit, ein Kleinod des linken Rheinufers sei, galt nunmehr 
für unzweifelhaft, nachdem die reaktionäre Partei ihren Haß gegen das 
öffentliche Strafverfahren so unzweideutig bekundet hatte. Die schönen 
Lande von der Lauter bis zur niederländischen Grenze betrachteten sich 
wieder, wie in den Tagen der cisrhenanischen Republik, als ein halb- 
französisches Zwischenreich, das dem gebundenen Osten die Freiheit des 
Westens zu übermitteln habe, und die Verblendung des deutschen Libera- 
lismus, der sich mehr und mehr in französischen Idealen verlor, nährte 
geschäftig den Dünkel dieses rheinischen Sonderlebens. 
Ungleich bedrohlicher erschien die staatsfeindliche Opposition, die sich 
auf dem Posener Landtage schon zuweilen hinauswagte. Der polnische 
Adel verdankte der Fürsorge des preußischen Beamtenthums die Rettung 
seiner Güter, denn ohne den Beistand der neuen landwirthschaftlichen 
Creditanstalt hätte er in diesen Jahren der Noth seinen Grundbesitz un- 
fehlbar verloren; doch was wogen ihm die Segnungen des deutschen 
Regiments neben dem Traumbilde der Wiederherstellung Polens? Die
	        
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