Prinz Wilhelm und Prinzessin Radziwill. 393
Und diesem Sohne, der seinem Herzen so nahe stand, mußte der König
die liebsten Träume der Jugend grausam zerstören. Prinz Wilhelm liebte
die Prinzessin Elise Radziwill, die schönste und holdeste unter den jungen
Damen des Hofes. Sie schien wie für ihn geschaffen, aber ihre Eben—
bürtigkeit ward bestritten. Denn obwohl dies alte litthauische Dynasten—
geschlecht durch Reichthum und historischen Ruhm manches deutsche Fürsten—
haus überstrahlte, und einmal schon, in den Tagen des großen Kurfürsten,
ein Hohenzoller eine Radziwill als ebenbürtige Gemahlin heimgeführt hatte,
so waren doch neuerdings am preußischen wie an allen deutschen Königs—
höfen strengere Rechtsbegriffe zur Herrschaft gelangt. Seit den Zeiten
Friedrich's des Großen stand der Grundsatz fest, daß nur die Töchter der
regierenden Fürstenhäuser und der vormaligen reichsständischen Landes—
herren für ebenbürtig gelten sollten; der König selbst erkannte diese Regel
an, indem er bei seiner zweiten Vermählung öffentlich aussprach, daß er
nach der Verfassung seines Hauses mit der Tochter einer reichsgräflichen
Personalistenfamilie nur eine morganatische Ehe schließen dürfe. Fünf
Jahre hindurch wurde nun von beiden Seiten Alles aufgeboten um die
Zweifel zu beseitigen und dem Prinzen sein ersehntes Eheglück zu er—
möglichen. Durch den Fürsten Anton Radziwill aufgefordert, schrieb Karl
Friedrich Eichhorn ein Rechtsgutachten, das sich für die Ebenbürtigkeit
des Hauses Radziwill aussprach; jedoch die Ansicht des großen Staats—
rechtslehrers stieß bei anderen namhaften Juristen auf wohlbegründeten
Widerspruch. Dann tauchte der Vorschlag auf, Prinz August von Preußen
solle die Prinzessin an Kindesstatt annehmen; aber fünf der Minister er—
widerten nach ihrer Amtspflicht, die Adoption könne das Blut nicht er—
setzen. Unterdessen vermählte sich der dritte Sohn des Königs, Prinz Karl
mit einer weimarischen Prinzessin, und der großherzoglich sächsische Hof
erklärte nachdrücklich, daß er für die Kinder dieser Ehe das Vorrecht be—
anspruchen müsse falls der ältere Bruder seiner Neigung folge.
Nunmehr ward die Frage sehr ernst; es drohte ein Streit um die
Erbfolge, der vielleicht den Bestand der Dynastie gefährden konnte. Auf
die wiederholten Vorstellungen seiner Räthe beschloß der König, tief be—
kümmert, sein Ansehen zu gebrauchen (1826). In einem von Zärtlichkeit
überströmenden Briefe hielt er dem Sohne vor, was alles vergeblich
versucht worden sei, und wie nun doch nichts übrig bleibe als die harte Pflicht,
dem Wohle des Staates, des königlichen Hauses eine edle Neigung zu
opfern. Als der Prinz dies Schreiben durch General Witzleben empfing,
war er anfangs ganz zerschmettert; dann raffte er sich zusammen, und
noch am selben Abend schrieb er dem Könige, daß er gehorchen werde.
In jener einfachen, kunstlosen und doch so tief zur Seele dringenden
Sprache, die ihm natürlich war, schüttete er dem Vater sein Herz aus.
Er versprach das Vertrauen des Königs zu rechtfertigen durch Bekämpfung
seines tiefen Schmerzes, durch Standhaftigkeit im Unabänderlichen, und