394 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
bat um Gottes Beistand, daß er ihn nicht verlasse in dieser schweren
Prüfung. Dem theuren Vater aber solle sein Herz jetzt inniger denn je
angehören, denn dessen väterliche Liebe sei nie größer gewesen als in der
Art der schweren Entscheidung. Witzleben bemerkte dazu in seinem Tage—
buche: „welch ein Sohn! welch ein Vater!“ Drei Jahre darauf schloß
der Prinz mit der Prinzessin Augusta von Weimar die Ehe, welche dem
königlichen Hause den Stammhalter schenkte. Also erzog eine unerforschlich
weise Waltung der Nation ihren Helden und lehrte den gehorchen und
entsagen, der einst Deutschland beherrschen sollte.)
Von diesen Herzenskämpfen wurde außerhalb der Hofkreise wenig be-
kannt. Um so größeres Aufsehen erregte die Nachricht, daß des Königs
Halbschwester, Herzogin Julia von Anhalt-Köthen nebst ihrem Gemahl in
Paris zur römischen Kirche übergetreten war (1825). Kaiser Franz war
in das Geheimniß eingeweiht; er hatte nur des Aergernisses halber ver-
langt, daß der Uebertritt nicht in Oesterreich geschehen dürfe. Nach dem
alten Brauche römischer Ehrlichkeit und nach dem Vorbilde des gefeierten
Haller dachten die Bekehrten den Glaubenswechsel vor ihrem evangelischen
Lande zunächst geheim zu halten, was der Papst gern gestattete. Aber
der Vorfall ward ruchbar, und die Herzogin sah sich genöthigt, ihrem
königlichen Bruder das Geschehene zu berichten. Sie that es in einem
schwülstigen Briefe, dessen hohle Phrasen nur den phantastischen Rauch
dieser romantischen Tage, nirgends den tiefen Ernst einer schwer erkämpften
Ueberzeugung erkennen ließen; zu guter Letzt gab sie dem in seinen hei-
ligsten Gefühlen Verletzten noch die tröstliche Versicherung, sie werde seiner
nach katholischer Sitte „namenlos oft“ in ihren Gebeten vor Gott
gedenken.
In der Presse schlugen Krug und Paulus, die alten eifersüchtigen
Wächter des Protestantismus, sogleich Lärm. Das anhaltische Völkchen
fühlte sich schwer beunruhigt; denn wer konnte wissen, ob nicht auch einige
Näthe des Herzogs, nach dem Beispiele des Landesvaters, bereits insge-
heim abgefallen waren, und die evangelische Landeskirche also schon unter
katholischer Leitung stand? Eine Schaar fanatischer Ultramontanen sam-
melte sich um die Herzogin und ihren Adam Müller: Alle überragend
der Pole Haza, ein gewandter Agent der römischen Propaganda, der seine
geheimnißvolle Thätigkeit viele Jahre lang, bis in den ersten deutschen
Reichstag hinein, fortgeführt hat. Nicht lange, und man erfuhr, daß
noch ein anderes Kind Friedrich Wilhelm's II., Graf Ingenheim in der
Köthener Schloßkirche sich zum römischen Glauben bekannt hatte. Dann
schlug eine Jesuitenmission hier im Mittelpunkte der alten sächsischen
*) Wittgenstein an Bernstorff, 28. März 1826; Rechtsgutachten von K. F. Eichhorn,
Schmelzer u. A.; Witzleben's Tagebuch, 10. Jan., 4. April 1825, 23., 24. Juni 1826;
Prinz Wilhelm an König Friedrich Wilhelm, 23. Juni 1826.