460 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod.
seines Grundadels gesorgt. Eine so durchgreifende Hilfe ließ sich aber
jetzt noch nicht ermöglichen, wenn man den Staatscredit in Anspruch nahm,
und die Staatsschuld war geschlossen, ihre Vermehrung ohne die Zu-
stimmung der Reichsstände unzulässig. So grell offenbarte sich wieder,
daß die Monarchie ohne Reichsstände nur noch in einem Provisorium
lebte: ruhigen Zeiten war sie gewachsen, jeder außerordentlichen Aufgabe
stand sie rathlos gegenüber. —
Mit diesen traurigen Wirren hatte der Finanzminister unmittelbar
nichts zu schaffen, aber an dem Ertrage der Abgaben lernte er die Noth
der Landwirthschaft nur zu gründlich kennen, obwohl der König bei allen
seinen Unterstützungen streng den Grundsatz einhielt, daß auch dem Be-
dürftigsten niemals ein Nachlaß an den Staatssteuern bewilligt werden
dürfe. Um die Schwierigkeiten zu bemeistern, wollte Motz zunächst die
Lage des Staatshaushalts genau übersehen und erneuerte daher seine
alte Forderung, daß der Finanzminister in der Generalcontrole Sitz und
Stimme haben müsse. Der König suchte nach seiner Gewohnheit zu ver-
mitteln, weil er den verdienten alten Ladenberg nicht kränken mochte, und
ordnete an, der Finanzminister solle im Falle der Meinungsverschieden-
heit durch einen seiner Räthe mündlich mit dem Präsidenten der General-
controle unterhandeln.) Mit einer solchen Halbheit konnte sich Motz
nicht zufrieden geben; denn zwischen den beiden coordinirten Behörden
hatte sich längst ein tragikomischer Wettstreit des Amtseifers entsponnen,
wie er nur in der preußischen Bureaukratie möglich ist. Die General-
controle suchte ihre Lebenskraft zu erweisen, indem sie den Etats zahl-
lose lächerliche Monita zusetzte, zum Domänenetat allein 91, zum Forst-
etat 146, und die Calculatoren des Finanzministeriums erwiderten natür-
lich mit gleicher Münze. Das Gezänk ward so unerträglich, daß Motz
sich entschloß den König um seine Entlassung zu bitten, wenn ihm seine
berechtigte Forderung nicht gewährt würde. „Ich kann mich nicht dazu
verstehen — schrieb er an Lottum — die Rolle zu übernehmen, welche
Herr von Klewitz viele Jahre zum Nachtheil der Finanzen des Staates
ertragen hat.“ Ein solches Abschiedsgesuch galt nach den Grundsätzen des
alten Absolutismus als strafbarer Trotz, und Motz selber hielt für nöthig
die Versicherung hinzuzufügen: „ich würde der Gnade des Königs mich
selbst unwürdig erkennen, wenn ich in Eitelkeit und Thorheit befangen,
mich auf anderem Wege in meiner Dienststelle zu conserviren bemüht
sein sollte."“
Seit Stein im Frühjahr 1807 aus ähnlichem Anlaß ungnädig ent-
lassen worden, hat kein Minister mehr gewagt in diesem Tone zu reden;
selbst Hardenberg hatte nur einmal, als er auf die Zustimmung des Königs
sicher rechnen konnte, leise mit seinem Abgang gedroht. Friedrich Wilhelm
*) Cabinetsordre an Lottum und Motz, 22. Nov. 1825.