Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

460 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
seines Grundadels gesorgt. Eine so durchgreifende Hilfe ließ sich aber 
jetzt noch nicht ermöglichen, wenn man den Staatscredit in Anspruch nahm, 
und die Staatsschuld war geschlossen, ihre Vermehrung ohne die Zu- 
stimmung der Reichsstände unzulässig. So grell offenbarte sich wieder, 
daß die Monarchie ohne Reichsstände nur noch in einem Provisorium 
lebte: ruhigen Zeiten war sie gewachsen, jeder außerordentlichen Aufgabe 
stand sie rathlos gegenüber. — 
Mit diesen traurigen Wirren hatte der Finanzminister unmittelbar 
nichts zu schaffen, aber an dem Ertrage der Abgaben lernte er die Noth 
der Landwirthschaft nur zu gründlich kennen, obwohl der König bei allen 
seinen Unterstützungen streng den Grundsatz einhielt, daß auch dem Be- 
dürftigsten niemals ein Nachlaß an den Staatssteuern bewilligt werden 
dürfe. Um die Schwierigkeiten zu bemeistern, wollte Motz zunächst die 
Lage des Staatshaushalts genau übersehen und erneuerte daher seine 
alte Forderung, daß der Finanzminister in der Generalcontrole Sitz und 
Stimme haben müsse. Der König suchte nach seiner Gewohnheit zu ver- 
mitteln, weil er den verdienten alten Ladenberg nicht kränken mochte, und 
ordnete an, der Finanzminister solle im Falle der Meinungsverschieden- 
heit durch einen seiner Räthe mündlich mit dem Präsidenten der General- 
controle unterhandeln.) Mit einer solchen Halbheit konnte sich Motz 
nicht zufrieden geben; denn zwischen den beiden coordinirten Behörden 
hatte sich längst ein tragikomischer Wettstreit des Amtseifers entsponnen, 
wie er nur in der preußischen Bureaukratie möglich ist. Die General- 
controle suchte ihre Lebenskraft zu erweisen, indem sie den Etats zahl- 
lose lächerliche Monita zusetzte, zum Domänenetat allein 91, zum Forst- 
etat 146, und die Calculatoren des Finanzministeriums erwiderten natür- 
lich mit gleicher Münze. Das Gezänk ward so unerträglich, daß Motz 
sich entschloß den König um seine Entlassung zu bitten, wenn ihm seine 
berechtigte Forderung nicht gewährt würde. „Ich kann mich nicht dazu 
verstehen — schrieb er an Lottum — die Rolle zu übernehmen, welche 
Herr von Klewitz viele Jahre zum Nachtheil der Finanzen des Staates 
ertragen hat.“ Ein solches Abschiedsgesuch galt nach den Grundsätzen des 
alten Absolutismus als strafbarer Trotz, und Motz selber hielt für nöthig 
die Versicherung hinzuzufügen: „ich würde der Gnade des Königs mich 
selbst unwürdig erkennen, wenn ich in Eitelkeit und Thorheit befangen, 
mich auf anderem Wege in meiner Dienststelle zu conserviren bemüht 
sein sollte."“ 
Seit Stein im Frühjahr 1807 aus ähnlichem Anlaß ungnädig ent- 
lassen worden, hat kein Minister mehr gewagt in diesem Tone zu reden; 
selbst Hardenberg hatte nur einmal, als er auf die Zustimmung des Königs 
sicher rechnen konnte, leise mit seinem Abgang gedroht. Friedrich Wilhelm 
  
*) Cabinetsordre an Lottum und Motz, 22. Nov. 1825.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.