494 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
August die gierigen Hände zu füllen, um die Magnaten des polnischen
Reichstags zu bestechen, um das Wunder zu ermöglichen, daß der Hof
eines deutschen Mittelstaates selbst das Versailler Vorbild überbot und in
seiner „opulenten Somptuosité“ auch noch die Mittel fand, den War—
schauern ihren Sächsischen Palast und andere Prachtbauten zu schenken.
Zugleich warf der unstäte Ehrgeiz Königs August's und seines abenteuern—
den Vertrauten Flemming das unglückliche Land in die Wirren des Nor—
dischen Krieges. Das tapfere Heer verblutete sich in ruhmlosen Kämpfen
unter dem Banner des weißen Adlers; die Schweden, vorlängst durch
das gute Schwert der Märker bis an den äußersten Nordsaum Deutsch-
lands zurückgeworfen, drangen noch einmal siegreich bis in das Herz des
Reiches, und nahe dem Lützener Schlachtfelde diktirte Karl XII. dem ent-
thronten Polenkönige einen schmachvollen Frieden.
Der ganze Unsegen der ausländischen Königskrone ward erst unter
August's elendem Nachfolger offenbar, als in den großen Entscheidungs-
tagen der schlesischen Kriege der politisch unkluge, aber menschlich entschuld-
bare Groll der Albertiner wider den glücklichen nordischen Nebenbuhler sich
zu blindem Hasse steigerte und die polnisch-katholischen Großmachtsträume
des Grafen Brühl dies protestantische deutsche Land gänzlich aus den
Bahnen seiner natürlichen Politik hinausschleuderten. Selbst die an luf-
tigen Projekten so reiche Geschichte der deutschen kleinstaatlichen Diplo-
matie hat nichts Schwindelhafteres aufzuweisen, als die begehrlichen An-
schläge dieses nichtigen Favoriten: wie er Preußen zerschlagen, Sachsen
mit Polen durch die schlesische Via regia verbinden und durch Begünsti-
gung der polnischen Adelsanarchie die Erblichkeit der albertinischen Königs-
krone erreichen wollte — und das alles ohne eigene nachhaltige Rüstung,
allein durch den Beistand Rußlands und der katholischen Großmächte.
Furchtbar war die Strafe. Sieben Jahre lang mußte Sachsen, besiegt,
entwaffnet, in schmählicher Hilflosigkeit, dem preußischen Sieger die Kosten
seines Krieges tragen helfen. Nach dem Hubertusburger Frieden lag das
Land fast wieder ebenso verwüstet wie einst nach dem dreißigjährigen
Kriege. Die Verbindung mit Polen löste sich auf, der Kampf um die
zweite Stelle im Deutschen Reich war endgiltig zu Preußens Gunsten ent-
schieden, und selbst in seinem Familienleben stand das Fürstenhaus seit
seinem Glaubenswechsel vereinsamt unter den norddeutschen Dynastien;
die neuen anspruchsvollen Verbindungen mit den bourbonischen und den
habsburgischen Höfen vermehrten nur seinen Stolz, nicht seine Macht.
Der lange Streit zwischen Preußen und Sachsen war nicht bloß ein
Kampf um die Macht, sondern auch ein Kampf zweier Staatsgedanken;
das politische Königthum der Hohenzollern siegte über die Frivolität fürst-
licher Selbstvergötterung. Friedrich der Große blieb sich dieses principiellen
Gegensatzes immer bewußt; in einer von zorniger Verachtung überströ-
menden Ode rief er, seiner männlicheren Tugend froh, dem unglücklichen