Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

498 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. 
Verdienst, nicht durch Lakaienkünste zu den höchsten Würden aufstieg — 
und schloß sich in der deutschen Politik, die gefallene Entscheidung achtend, 
verständig an Preußen an — eine Entsagung, welche ihm der fromme 
Abscheu vor dem gottlosen Neuerer Joseph II. allerdings erleichterte. Aber 
ein Organisator wie Karl Friedrich oder Karl August war er selbst in 
seinen kräftigen Jahren nicht. Er lebte in den Anschauungen des alt— 
ständischen Staates und begnügte sich in dem engen Kreise, welchen die 
Oligarchie des Landtags dem monarchischen Willen offen ließ, wohlthätig 
zu wirken. An die Entlastung des hartbedrückten Landvolks, an alle die 
wirthschaftlichen Reformen, deren sein Land noch dringender als die Nachbar— 
staaten bedurfte, war schon darum nicht zu denken, weil ihm jeder Eingriff 
in die Standesprivilegien seiner Ritterschaft als ein gewissenloser Rechts— 
bruch erschien. Erhaltung alles Bestehenden wurde bald der Wahlspruch 
seiner Regierung. In ihren Anfängen hatte sie viel alten Unrath hinweg— 
geräumt, nachher verschuldete sie, daß Sachsen in seiner politischen Ent— 
wicklung wieder um ein Menschenalter hinter den Nachbarländern zurückblieb. 
Selbst die Zeit des allgemeinen Umsturzes in den Rheinbundslanden 
ging an Sachsens schwerfälligem Staatsbau spurlos vorüber. Grausames 
Schicksal, das diesen sanftmüthigen, bedachtsamen Fürsten in die Abenteuer 
der napoleonischen Politik verwickelte und grade ihn noch einmal mit der 
polnischen Unheilskrone belastete. Im Grunde des Herzens blieb er selbst 
während jener stürmischen Jahre der friedfertige Landesvater, der sich nichts 
Besseres wünschte als seine angestammten Unterthanen in Ruhe zu regieren; 
die ehrgeizigen Großmachtspläne seiner Minister Bose und Senfft regten 
ihn wenig auf, wie blind er auch auf das Glück seines Großen Alliirten 
vertraute. Um sein Land nicht der Raubgier des Siegers preiszugeben, 
ließ er sich nach der Schlacht bei Jena zu dem einzigen Treubruche seines 
Lebens, zum Abfall von dem preußischen Bündniß verleiten. Um seinem 
Lande die Gnade des mächtigen Protektors zu erhalten, ertrug er geduldig 
jede persönliche Entwürdigung und hörte selbst im alten Frankfurter Kaiser— 
dome das Tedeum für die Wagramer Schlacht mit an; und wieder um 
sein Land vor der Rache Napoleon's zu sichern, kündigte er nach dem Tage 
von Großgörschen, noch unaufgefordert, dem Imperator seine Rückkehr 
an.“) Als er dann kriegsgefangen in die Hände der Preußen fiel, war er 
sich keiner Schuld bewußt; hatte er doch immer nur für sein Volk gesorgt 
und seine Rheinbundpflichten gewissenhaft erfüllt. Er wollte schlechter— 
dings nicht begreifen, daß er nun auch die Folgen der Niederlage tragen 
sollte. Nun gar die jungen Prinzen und Prinzessinnen waren — anders 
als der Oheim — auf ihre Weise immer gut deutsch gesinnt gewesen, sie 
hatten sich im Frühjahr des ersten Einzugs der Alliirten herzlich gefreut 
*) So wird das Verhalten des Königs von General v. Gersdorff, der den Brief 
Friedrich August's an Napoleon überbrachte, erklärt. (Gersdorff, Denkschrift über das 
Jahr 1813, Juni 1814.)
	        
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