Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Heimkehr Friedrich August's. 499 
und empfanden es dann wie einen Verrath, als diese Befreier ihnen das 
Erbe ihrer Väter schmälerten. 
Mit den Gefühlen eines schwer und ungerecht Gekränkten kehrte der 
greise König im Juni 1815 in sein verkleinertes Land zurück, und der 
Empfang daheim konnte ihn in solcher Meinung nur bestärken. Zur Zeit 
der Leipziger Schlacht hatte ein großer Theil der Gebildeten die undeutsche 
Politik des Königs hart verurtheilt. In der langen Zeit der Ungewißheit 
nachher ward die dynastische Anhänglichkeit wieder lebendig, und sie gewann 
gänzlich die Oberhand als die Nachricht von der Theilung des Landes 
und der bevorstehenden Rückkehr des Monarchen kam. Die Wenigen, die 
sich offen für Preußen ausgesprochen, hielten sich jetzt behutsam zurück; das 
Volk nannte sie die Preußen oder auch die Deutschen. In der Hilflosigkeit 
dieser Kleinstaaterei wechselte Mancher seine Meinung ohne es selber zu 
merken. Der gutmüthige Leipziger Poet Mahlmann, der Herausgeber der 
beliebten Zeitung für die elegante Welt, dichtete, als Napoleon die Rauten— 
krone gründete, eine begeisterte Ode auf den Imperator: „vor ihm geht 
Schrecken her, doch Großmuth folgt ihm nach“; dann besang er ebenso 
rührend den Czaren Alexander und die Leipziger Völkerschlacht, und zur 
Heimkehr des Königs verfertigte er das neue Sachsenlied: „Blühe du 
Rautenkranz!“ Die ungeheure Mehrzahl des Volks war in ihren jubeln— 
den Huldigungen unzweifelhaft aufrichtig; man hatte sich in das unbeweg— 
liche Regiment des alten Herrn so ganz eingewöhnt, als ob man nicht 
mehr ohne ihn leben könnte, und nannte ihn schon bei Lebzeiten allgemein 
den Gerechten. Die nämlichen Auftritte wiederholten sich nach drei Jahren 
beim Jubelfeste der Regierung Friedrich August's; auch mehrere der an 
Preußen abgetretenen Ortschaften sendeten inbrünstige Glückwünsche, und 
der neue Landesherr ließ sie gewähren. 
Eine lange Reihe stattlicher, mit Bildern geschmückter Bücher erzählte 
sodann der Welt von diesen „allgemeinen Freudenfesten der getreuen säch— 
sischen Nation“, von den Triumphbogen und Obelisken und den „Tempeln 
der Unsterblichkeit“, von dem sinnigen Liede „die Raute grünt, das Veilchen 
blühet wieder“, von allen den gereimten und ungereimten Prachtreden zu 
Ehren „des guten Bienenvaters“, der so lange seiner fleißigen Bienen treu 
gewartet hatte und dann von fremden Raubbienen, Hummeln und Wespen 
vertrieben, endlich wieder zu seinen unschuldigen Kindern heimgekehrt war. 
Zuweilen verstieg sich die Unterthänigkeit dieser Kinder bis zur offenbaren 
Gotteslästerung. In dem Festspiele der Dresdener Gesellschaft zum Blauen 
Stern, die sich während der preußisch-russischen Fremdherrschaft zur Nährung 
der dynastischen Treue zusammengefunden hatte, erklang nach einer feier— 
lichen Pause „das hohe Geisterwort“: 
Wo auch nur Zween oder Drei 
Versammelt sind in Friedrich August's Namen, 
Da ist sein Ahnherr auch dabei. 
Gott segne den König, Amen! 
32“
	        
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