Heimkehr Friedrich August's. 499
und empfanden es dann wie einen Verrath, als diese Befreier ihnen das
Erbe ihrer Väter schmälerten.
Mit den Gefühlen eines schwer und ungerecht Gekränkten kehrte der
greise König im Juni 1815 in sein verkleinertes Land zurück, und der
Empfang daheim konnte ihn in solcher Meinung nur bestärken. Zur Zeit
der Leipziger Schlacht hatte ein großer Theil der Gebildeten die undeutsche
Politik des Königs hart verurtheilt. In der langen Zeit der Ungewißheit
nachher ward die dynastische Anhänglichkeit wieder lebendig, und sie gewann
gänzlich die Oberhand als die Nachricht von der Theilung des Landes
und der bevorstehenden Rückkehr des Monarchen kam. Die Wenigen, die
sich offen für Preußen ausgesprochen, hielten sich jetzt behutsam zurück; das
Volk nannte sie die Preußen oder auch die Deutschen. In der Hilflosigkeit
dieser Kleinstaaterei wechselte Mancher seine Meinung ohne es selber zu
merken. Der gutmüthige Leipziger Poet Mahlmann, der Herausgeber der
beliebten Zeitung für die elegante Welt, dichtete, als Napoleon die Rauten—
krone gründete, eine begeisterte Ode auf den Imperator: „vor ihm geht
Schrecken her, doch Großmuth folgt ihm nach“; dann besang er ebenso
rührend den Czaren Alexander und die Leipziger Völkerschlacht, und zur
Heimkehr des Königs verfertigte er das neue Sachsenlied: „Blühe du
Rautenkranz!“ Die ungeheure Mehrzahl des Volks war in ihren jubeln—
den Huldigungen unzweifelhaft aufrichtig; man hatte sich in das unbeweg—
liche Regiment des alten Herrn so ganz eingewöhnt, als ob man nicht
mehr ohne ihn leben könnte, und nannte ihn schon bei Lebzeiten allgemein
den Gerechten. Die nämlichen Auftritte wiederholten sich nach drei Jahren
beim Jubelfeste der Regierung Friedrich August's; auch mehrere der an
Preußen abgetretenen Ortschaften sendeten inbrünstige Glückwünsche, und
der neue Landesherr ließ sie gewähren.
Eine lange Reihe stattlicher, mit Bildern geschmückter Bücher erzählte
sodann der Welt von diesen „allgemeinen Freudenfesten der getreuen säch—
sischen Nation“, von den Triumphbogen und Obelisken und den „Tempeln
der Unsterblichkeit“, von dem sinnigen Liede „die Raute grünt, das Veilchen
blühet wieder“, von allen den gereimten und ungereimten Prachtreden zu
Ehren „des guten Bienenvaters“, der so lange seiner fleißigen Bienen treu
gewartet hatte und dann von fremden Raubbienen, Hummeln und Wespen
vertrieben, endlich wieder zu seinen unschuldigen Kindern heimgekehrt war.
Zuweilen verstieg sich die Unterthänigkeit dieser Kinder bis zur offenbaren
Gotteslästerung. In dem Festspiele der Dresdener Gesellschaft zum Blauen
Stern, die sich während der preußisch-russischen Fremdherrschaft zur Nährung
der dynastischen Treue zusammengefunden hatte, erklang nach einer feier—
lichen Pause „das hohe Geisterwort“:
Wo auch nur Zween oder Drei
Versammelt sind in Friedrich August's Namen,
Da ist sein Ahnherr auch dabei.
Gott segne den König, Amen!
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