Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

502 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. 
muß den gierigen nordischen Adler fürchten und ihm baldigst Einhalt thun. 
Frankreich, Baiern, der Papst, die in Oesterreich mächtigen Geistlichen, 
alle kleineren deutschen Fürsten, die in Sachsen ihre Existenz gefährdet 
sehen, werden für uns sprechen und die Flamme des Krieges zwischen den 
beiden Nebenbuhlern der Oberherrschaft in Deutschland bald anfachen!“ 
Das Volk hielt die Hoffnung auf die Wiedervereinigung der albertinischen 
Lande fast ebenso hartnäckig fest, wie einst die Ernestiner auf die Rückgabe 
des verlorenen Kurhuts gewartet hatten. Die Kinder in den Schulen 
sangen das trutzige Liedlein: „Die Preußen haben uns 's Land gestohlen, 
wir werden's uns schon wieder holen; Geduld, Geduld, Geduld!“ 
Obwohl der König in seiner strengen Rechtlichkeit den geschlossenen 
Friedensvertrag unbedingt achtete, so war es doch nur eine nothwendige 
Folge des Geschehenen, daß er eine nähere Verbindung mit Preußen jetzt 
für ganz unmöglich hielt. Als sein natürlicher Verbündeter erschien ihm 
fortan Oesterreich, obgleich der Kaiserstaat bei jeder Hungersnoth im Erz- 
gebirge regelmäßig seine Grenzen schloß und sich auch sonst keineswegs als 
gefälliger Nachbar erwies. Der stille Groll gegen Preußen trat nur darum 
nicht auffällig hervor, weil die beiden deutschen Großmächte jetzt verbündet 
waren, und weil Friedrich August sich wieder ausschließlich den Pflichten 
der Landesverwaltung widmete. Die große Politik lag nicht in seinem 
Gesichtskreise, indeß fühlte er sich stets geschmeichelt, wenn ihm die Ge- 
sandten der Großmächte etwas von den Wirren draußen in der Welt er- 
zählten.) Am Bundestage stimmte der sächsische Gesandte gehorsam mit 
Oesterreich und ließ im Uebrigen so wenig von sich hören, daß Metternich 
zuweilen freundlich mahnte, der Dresdener Hof möge seine treffliche Ge- 
sinnung doch etwas lebhafter bethätigen. Also wirkte die Landestheilung 
noch lange unheilvoll auf die sächsische Politik zurück. Sie nährte im 
Volke einen kleinlichen particularistischen Aerger, der den deutschen National- 
stolz ganz überwucherte; sie erschwerte dem Hofe wie dem Volke, die großen 
wirthschaftlichen Interessen, welche diesen Staat mit Preußen verbanden, 
rechtzeitig zu erkennen. 
Allerdings hatte das Land unersetzliche Einbußen erlitten. Verloren 
war außer den schönen thüringischen Stiftslanden und dem größten Theile 
der Lausitzen auch der Stolz Obersachsens, der Kurkreis; ein gerechtes 
Geschick brachte die Heimath der Reformation wieder unter ein treues 
protestantisches Herrscherhaus. Und wie viele köstliche geistige Kräfte kamen 
dem Staate allein mit den beiden Gelehrtenschulen Pforta und Roßleben 
abhanden. Die Armee verlor in Aster ihren begabtesten Offizier, das 
Beamtenthum in Streckfuß, Schönberg und Ferber und dem Vater Theodor 
Körner's grade die freimüthigen Männer, welche die Gebrechen des alten 
Adelsregiments längst durchschaut und gerügt hatten. Jedoch die schönere 
  
*) Jordan's Bericht, 2. Nov. 1826.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.