Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

504 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. 
angeregt durch Perthes in Gotha und Fleischer in Leipzig, der Börsen- 
verein der deutschen Buchhändler, und mit ihm eine wohlthätige Centra- 
lisation des literarischen Verkehrs, deren kein anderes Land sich rühmen 
konnte — ein glänzendes Zeugniß zugleich für die Geschäftstüchtigkeit des 
deutschen Bürgerthums und für die still wirkende Triebkraft des nationalen 
Gedankens. 
Als Meßplatz war Leipzig, obgleich es nicht einmal einen schiffbaren 
Strom besaß, seit dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts allen anderen 
deutschen Städten vorangekommen: vornehmlich durch die Ueberlegenheit 
des erzgebirgischen Gewerbfleißes und durch den rührigen Unternehmungs- 
geist seiner Kaufmannschaft, der von der läßlich bequemen kursächsischen 
Verwaltung wenig belästigt wurde, während die fridericianische Handels- 
politik durch ihre wohlgemeinte Bevormundung den Meßhandel von Frank- 
furt aO. zu Grunde richtete. Das am Weitesten ostwärts vorgeschobene 
deutsche Industrieland bildete den natürlichen Markt für die halbgesitteten, 
den Gewohnheiten des Karawanenhandels noch nicht entwachsenen Völker 
Osteuropas; und so lange der deutsche Verkehr noch durch die Binnen- 
manthen, durch die Anarchie des Maß= und Münzwesens, durch die Zunft- 
und Bannrechte der Städte unterbunden war, fand auch er noch seinen 
Vortheil bei der stoßweise wiederkehrenden Handelsfreiheit der Messen. 
Was die preußische Regierung jetzt noch versuchte, um ihre eigenen Meß- 
plätze Naumburg und Frankfurt a,O. zu heben, war verlorene Arbeit und 
förderte nur ärgerlichen Nachbarzwist. So oft in Naumburg die Messe 
eröffnet wurde, that sich in Leipzig eine Winkelmesse auf, von den Behörden 
unter der Hand geduldet; zur Wiedervergeltung hielten preußische Geschäfts- 
leute während der Leipziger Messe in Lützen eine Neben-Ledermesse. Aber 
die Ueberlegenheit Leipzigs war entschieden, und mit dem großstädtischen 
Verkehre, der sich hier dreimal im Jahre aufstaute, erweiterte sich auch 
der Gesichtskreis der Bürgerschaft. Wie eine freie Reichsstadt, nicht un- 
botmäßig, aber selbständig und mit dem Bewußtsein, daß sie nicht bloß 
dem kleinen Königreiche angehöre, stand Deutschlands zweite Handelsstadt 
dem Hofe und dem Beamtenthum gegenüber. 
Noch wichtiger als Leipzig für den Handel war das kleine Freiberg 
für den deutschen Bergbau. Hier blühte die erste Bergakademie der Welt, 
die ihre Schüler bis in die Minen von Mexico und Peru sendete und 
soeben durch Werner ihren höchsten Ruhm erlangt hatte; denn je kärg- 
licher die Ausbeute der edlen Metalle im Erzgebirge wurde, um so kunst- 
voller gestaltete sich der Betrieb. Hier hatten Humboldt und Buch reiche 
Jugendjahre verlebt, hier hatte Heynitz gewirkt, der Lehrer Stein's, und 
Novalis das hohe Lied des Bergmanns gedichtet: „wer ist der Herr der 
Erde? der ihre Tiefen mißt.“ Dicht nebenan in Tharandt leitete der 
Thüringer Heinrich Cotta die große Forstlehranstalt, die bald für ganz 
Deutschland ein Muster wurde. Ueberall im Erzgebirge auf und unter
	        
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