518 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
ihren letzten Frankenkönig Konrad. Doch gleich darauf zerfiel die poli—
tische Macht des Chattenstammes, mit Herzog Eberhard sank das hessische
Herzogthum ins Grab. Zweihundert Jahre lang mit Thüringen verbunden
galt Hessen alsdann wenig mehr in der deutschen Politik; nur an der
hierarchischen Bewegung, welche das Zeitalter der Innocenze erfüllte, nahm
die Heimath der heiligen Elisabeth und des Ketzerrichters Konrad von
Marburg betend und streitend einen bedeutsamen Antheil. Erst seit der
Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, seit Heinrich, das Kind von Hessen,
dem Hause Brabant die Landgrafenwürde erwarb, begann hier wieder
eine selbständige Landesgeschichte, eine Geschichte so ruhmvoll und gehalt—
reich, wie sie selten einem Kleinstaate beschieden wird. Den sieghaften
Bannern des hessischen Löwen und des Ziegenhainer Sternes, den Kämpfen
Ludwig's des Friedfertigen wider Kurmainz verdankte Deutschland, daß sich
im Herzen des Reichs kein übermächtiger Priesterstaat bilden konnte und
die geistliche Gewalt ihre weltlichen Ansprüche etwas ermäßigen mußte.
Dann fand Martin Luther an dem Landgrafen des kleinen Hessen—
landes den tapfersten seiner Vertheidiger. In Marburg wurde die erste
protestantische Universität gegründet, auf der Homberger Synode die Ver—
fassung der evangelischen Kirche zum ersten male folgerecht durchgeführt.
Nicht immer mit der Umsicht des Staatsmannes, aber willenskräftig und
thatenfroh drängte Philipp der Großmüthige die zögernden Lutheraner
zur Entscheidung, und als er dann im Schmalkaldischen Kriege unterlegen
war, betrieben seine Hessen den Kampf um seine Wiederbefreiung, die
Rebellion gegen Kaiser Karl V. mit der heißen Leidenschaft eines Volks-
krieges. Die Dynastie hatte von Haus aus den schweizerischen und fran-
zösischen Reformatoren nahe gestanden, die Oranier und die Hugenotten
unerschrocken unterstützt. Seit Moritz dem Gelehrten bekannte sie sich
förmlich zu der streitbarsten Kirche der Protestanten, und obwohl auch
der Casseler Hof einige Zeit lang mitschuldig ward an den unfruchtbaren
Zauderkünsten der Evangelischen Union, so ergriff er doch als Gustav
Adolf auftrat sofort entschlossen die schwedische Partei. Glänzend bewährte
sich der alte Waffenruhm der blinden Hessen vor den Wällen von Hanau,
bis zum Ende des Krieges hielt die große Vormünderin Amalie Elisabeth,
den Glaubensgenossen ein leuchtendes Vorbild, bei der evangelischen Sache
aus. Auch nachher in den schweren Jahren, da Wilhelm VI. und die
Schwester des Großen Kurfürsten Hedwig Sophie die Wunden des großen
Krieges sorgsam zu heilen versuchten, blieb das Fürstenhaus seiner pro-
testantischen Politik getren. Wie vormals die evangelischen Wallonen, so
fanden jetzt die vertriebenen Hugenotten bei Landgraf Karl ihre Zuflucht,
der Neffe in Cassel wetteiferte mit dem Oheim in Berlin um den Ruhm
protestantischer Gastfreundschaft.
Wohl blieb auch das Haus Brabant nicht frei von den Sünden
jenes Zeitalters höfischer Selbstvergötterung. Das böse Beispiel des