Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Der Streit um das Landesvermögen. 527 
Der Kurfürst aber brauste wüthend auf, da er sich also im Vollgenusse 
seiner Souveränität bedroht sah. Er hatte erwartet, die Stände würden 
das freie Geschenk seiner Gnade unbesehen annehmen; nun gab er ihnen 
sein besonderes Mißfallen zu erkennen, weil „Status sich nicht entsehen 
hätten“, eine unzulässige Neigung zur Umkehrung der alten Verfassung an 
den Tag zu legen. „Ein jeder unabhängige Staat — hieß es weiter — 
und sei er auch noch so mindermächtig, zählt es zu seiner Nationalehre, 
nicht zu gestatten, daß fremde Mächte sich in seine inneren Angelegenheiten 
mischen, und für S. K. Hoheit ist es eine bittere Erfahrung, daß die 
Stände einen Zustand in dem kurhessischen Staate eintreten lassen wollen, 
wodurch dessen Unabhängigkeit in Gefahr gesetzt wird.““) Einigen Ab- 
geordneten, die von einer Vermittlung des Königs von Preußen gesprochen 
hatten, drohte er persönlich, er werde Jeden, der sich an das Ausland wende, 
als Rebellen behandeln. 
Das Alles hätte sich noch ausgleichen lassen, aber ganz unmöglich war 
die Verständigung über das Landesvermögen, welche der Landtag unter 
sehr bescheidenen Bedingungen verlangte. Schroff und höhnisch, offenbar 
in der Absicht, die Dinge zum Bruch zu treiben, erklärte der landesherr- 
liche Commissar Joh. Hassenpflug: was dem regierenden Hause durch Erb- 
schaft und Subsidien zugefallen, gehöre dem Landesherrn allein. Es lag 
ein Fluch auf dem alten englischen Blutgelde; an dieser Klippe scheiterte 
schon der erste Versuch constitutioneller Ordnung. Im Mei schickte der 
Kurfürst seine Stände unverrichteter Sache nach Hause und gönnte ihnen, 
was in Hessen noch nie geschehen war, nicht einmal einen Landtagsreceß. 
Der Landtag trennte sich unter feierlicher Verwahrung seines Steuer- 
bewilligungsrechts, sowie der Ansprüche des Landes auf das Staatsver- 
mögen. Bald nachher wurden die beiden Offiziere, welche vor den Ständen 
das Wort geführt hatten, ohne Urtheil und Recht auf den Spangenberg 
geschickt, eine kleine Bergfeste, die in der Geschichte des deutschen Klein- 
staatenglücks seit Langem eine ähnliche Rolle spielte wie der Königstein 
oder der Hohenasperg; den untersten Kerker dort, die Karthause, hatte 
noch Niemand lebend verlassen. Das Offizierscorps aber war, aufs 
Aeußerste gebracht, schon nahe daran, Mann für Mann um Entlassung zu 
bitten. Als der Kurfürst dies erfuhr, hielt er doch für gerathen, die 
Gefangenen frei zu geben.) 
Im Uebrigen regierte er fortan bis zu seinem Tode wieder als ab- 
soluter Herr und konnte sich ungestört die Freude gönnen, durch Herab- 
setzung der sämmtlichen Gehalte im Großherzogthum Fulda wieder einige 
Tausende monatlich für seine Cabinetskasse zu ersparen.““) Die ständische 
  
*7) Schreiben der landesherrlichen Commission an die Stände, vom 6. April 1816. 
**) Hänlein's Bericht, 24. Juni 1816 ff. 
***) Hänlein's Bericht, 8. Juni 1818.
	        
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