Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

K. Georg IV. und Herzog Karl. 561 
noch einer besonderen Prüfung und Genehmigung vor. Er beabsichtigte 
durch diesen Staatsstreich zugleich seinen Oheim öffentlich zu beschimpfen 
und die erneuerte Landschaftsordnung umzustoßen. Sein Unrecht war 
unzweifelhaft. Denn nach deutschem Staatsrecht darf die Regentschaft 
nicht als eine privatrechtliche Vormundschaft aufgefaßt werden; dem Re- 
genten des unsterblichen Staates gebühren alle Befugnisse des Staats- 
oberhauptes, auch das Recht gesetzmäßiger Verfassungsänderung. Auch 
gegen die Verlängerung der Regentschaft konnte Herzog Karl, wenn ihm 
sein Fürstenwort heilig war, jetzt nicht mehr Einspruch erheben, nachdem 
er ihr selber zugestimmt hatte. 
Mittlerweile wurde Schmidt-Phiseldeck von den Geschäften entbunden, 
im Gehalte verkürzt, durch Anfragen, Vorwürfe, Drohungen dermaßen miß- 
handelt, daß er seine Entlassung forderte. Sie ward ihm versprochen, aber 
trotz wiederholter Mahnungen nicht gewährt. Der geängstete Mann fürchtete 
das Aergste und entfloh nach Hannover, wo er, gemäß einer früheren 
Zusage, einen Platz im Geheimen Rathe erhielt. Die vom Herzoge nach- 
gesendeten Steckbriefe wies man in Preußen und Hannover als offenbar 
willkürlich zurück. Nunmehr ward das braunschweigische Geheimraths= 
Collegium mit willfährigen Männern ganz neu besetzt: ein vormaliger 
Schreiber, Bitter erhielt die Leitung des Finanzwesens. Im herzoglichen 
Cabinet, wo fortan der Schwerpunkt der Geschäfte lag, tauchten unheim- 
liche Gestalten auf: so Wit v. Dörring, der Verräther der Demagogen, 
und Dr. Klindworth, ein geheimer Agent, der während eines halben Jahr- 
hunderts von der Gräfin Lichtenau und dem Fürsten Wittgenstein, nachher 
von Metternich, Guizot, Wilhelm von Württemberg, Manteuffel zu Späher- 
diensten verwendet wurde und sich zumeist in der einträglichen Rolle des 
Doppelspions wohlgefiel; auch die verrufene Gräfin Görtz-Wrisberg hatte 
die Hände mit im Spiele. Mit Hilfe dieser Menschen ließ Herzog Karl 
eine Reihe unsauberer Libelle anfertigen, welche den König, Münster, 
Schmidt-Phiseldeck, alle Räthe der Regentschaft mit Schmähungen über- 
schütteten und dem Vormund namentlich vorwarfen, er sei darauf aus- 
gegangen, durch seine tyrannische Erziehung die Willenskraft des jungen 
Herzogs zu ertödten. 
Der hochmüthige englische Hof wurde durch die Angriffe des Braun- 
schweigers aufs Aeußerste gereizt. Die politischen Beschwerden des Herzogs 
ließen sich leicht widerlegen, aber der Vorwurf der verfehlten Erziehung 
war nicht grundlos, wie seltsam er sich auch im Munde des Erzogenen 
selber ausnahm. Weil König Georg dies empfand, verlor er alle Hal- 
tung und ließ sich von dem alten Hasse gegen die Sippe seiner Gemahlin 
gänzlich übermannen. In seinem Auftrage schrieb Münster eine „Wider- 
legung der ehrenrührigen Beschuldigungen des Herzogs von Braunschweig“, 
ein Libell, dessen maßlose Sprache den braunschweigischen Brandschriften 
nichts nachgab. Der Graf scheute sich nicht dem jungen Welfen mit 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 36
	        
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