Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

562 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland. 
der Revolution zu drohen: „es scheint,“ schrieb er höhnisch, „der Herzog 
will sich in seiner unglücklichen Laufbahn nicht aufhalten lassen.“ Auch 
mit der Kriegsmacht des Großbritannischen Königs drohte er hochfahrend, 
wenn der Deutsche Bund nicht im Stande sei Genugthuung zu schaffen, 
und wiederholt versicherte er seinen „Ekel über die schwärzeste Undank— 
barkeit“ des Braunschweigers. Welch ein Schauspiel! Was mußte die 
radicale Jugend, die schon längst an der monarchischen Ordnung zu 
zweifeln begann, jetzt empfinden, wenn diese beiden Fürsten — neben dem 
Kurfürsten von Hessen zur Zeit die verächtlichsten Mitglieder des deutschen 
hohen Adels — also vor aller Welt ihre schwarze Wäsche wuschen; wenn 
der hochconservative welfische Staatsmann von einem Welfenfürsten öffent— 
lich in einem Tone sprach, den sich die Redner des Burschenhauses kaum 
erlaubten? 
Herzog Karl beantwortete Münster's Schrift durch eine Forderung; 
zur Vorübung schoß er täglich stundenlang nach dem Bilde des Feindes. 
Als Münster die unmögliche Zumuthung abwies, mußte der Oberhof— 
jägermeister des Herzogs, v. Praun, der den hannoverschen Minister nicht 
einmal kannte, seinerseits die Herausforderung wiederholen. Das Aergerniß 
ward unerträglich, alle Oppositionsblätter Europas hatten ihre Lust daran. 
Schon wurden hannoversche Truppen an der Grenze Braunschweigs zu— 
sammengezogen, auch der Herzog rüstete, und da König Georg nicht als 
Bundesfürst, sondern ganz persönlich beleidigt war, so konnte der knaben— 
hafte Unfug vielleicht zu einer europäischen Verwicklung führen. Beide 
Theile hatten sich unterdessen klagend an den Bundestag gewendet. Herzog 
Karl sendete einen Vertrauten, v. Buttlar nach Stuttgart und suchte auch 
den König Ludwig von Baiern für sich zu gewinnen. Die beiden liberalen 
Könige wollten aber mit dem Handel nichts zu schaffen haben und 
riethen dem jungen Welfen zur Nachgiebigkeit.) 
Es ward die höchste Zeit daß der Bund einschritt. Nach der Wiener 
Schlußakte war er nicht nur befugt Thätlichkeiten zwischen Bundesgliedern 
zu verhindern, sondern auch verpflichtet, einen Bundesstaat, der fremden 
Mächten Anlaß zu berechtigten Beschwerden gab, zur Genugthuung zu 
nöthigen, und in der politischen Streitfrage, welche den Bundestag allein 
beschäftigen konnte, hatte der englische König unbestreitbar Recht. Gleich- 
wohl befand sich der Bundestag in peinlicher Lage. Münster sagte in seiner 
hochpathetischen Weise: wie die Athener keine Strafe für den Vatermord 
bestimmt hätten, so sei auch die Bundesakte nicht auf einen solchen Fall 
berechnet. Und allerdings hatten die Gesetzgeber des Bundes einen so 
persönlichen Zank zwischen gekrönten Häuptern nicht für möglich gehalten. 
Wie durfte die Frankfurter Gesandtenconferenz sich herausnehmen, einem 
deutschen Souverän persönlich einen Verweis zu ertheilen und ihn zur 
  
*) Küster's Berichte, 21. Juni, 11., 24. Okt., 6. Nov. 1828.
	        
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