Herzog Karl und die Großmächte. 563
Abbitte zu nöthigen? Diese Formbedenken wußte Metternich, der Gönner
des jungen Welfen, gewandt zu benutzen; so weit es die Rücksicht auf
Preußen nur irgend erlaubte, nahm er Partei für den Braunschweiger
und suchte die Entscheidung des Bundestags hinauszuschieben oder zu
vereiteln. Als Wit v. Dörring jetzt, während die Klage noch schwebte,
eine neue Schmähschrift veröffentlichte und Herzog Karl jede Mitwissen—
schaft ableugnete, da stellte sich Metternich als ob er der dreisten Un—
wahrheit Glauben schenke; der preußische Gesandte mußte ihm erst nach—
weisen, daß Wit offenbar geheime Papiere des Herzogs benutzt hatte und
in einzelnen Sätzen die bekannten bubenhaften Witze des Welfen wörtlich
wiederkehrten.“) Auch Reinhard und Anstett arbeiteten am Bundestage
insgeheim für den Braunschweiger, vermuthlich weil sie das Erstarken der
Bundesgewalt fürchteten.
Der entschiedenste Gegner des Herzogs war die Krone Preußen, die
neuerdings mit England-Hannover sehr freundlich stand. Der junge
Fürst hatte am Berliner Hofe allgemein mißfallen. Stein fand ihn un—
sittlich, dünkelvoll, frech und leer; die Generale verziehen ihm nicht, daß
er sich gegen die alten Ueberlieferungen seines Hauses ganz an Oester—
reich anschloß und, unzweifelhaft auf Metternich's Rath, nicht um eine
Stelle im preußischen Heere nachsuchte. König Friedrich Wilhelm empfand
den Abscheu des ernsten Mannes gegen ein kindisches Treiben, das zu—
gleich den Frieden im Deutschen Bunde und das Verfassungsrecht in
Braunschweig gefährdete. Sein Unwille stieg, als die unermüdlichen braun-
schweigischen Pamphletisten die welfische Winkeltyrannei sogar durch dema-
gogische Schlagwörter zu beschönigen suchten: nur darum, hieß es jetzt,
wolle Herzog Karl die neue Landschaftsordnung nicht beschwören, weil
sie das Volk zu Gunsten des Adels übervortheile! In einem väterlichen
Briefe ermahnte Friedrich Wilhelm den Herzog (December 1827), seine
„unverdienten Vorwürfe“ zurückzjunehmen. Umsonst. Auch andere Ver-
mittlungsversuche, welche Bernstorff im Verein mit Metternich unter-
nahm, scheiterten an dem Starrsinn des Herzogs und der Unzuverlässigkeit
Oesterreichs.
Nunmehr hielt der König für unerläßlich, daß der Bundestag sein
Ansehen gebrauche. Zeigte der Bund diesmal Ernst, so konnte Herzog
Karl vielleicht vor weiteren Thorheiten behütet werden; jedenfalls ward
dem Volke bewiesen, daß in Deutschland noch eine letzte Schranke fürst-
licher Willkür bestehe. Der König betrachtete die Beilegung dieses Handels
als eine Ehrensache des deutschen Fürstenstandes. Als sein Gesandter
in London die naheliegende Frage aufwarf, ob man nicht den häus-
lichen Streit der Welfen benutzen solle um durch eine sanfte Drohung
auf Hannovers Zollpolitik zu drücken, da erwiderte Bernstorff sehr ernst:
*) Maltzahn's Berichte, 9., 13. Febr. 1828.
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