Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Herzog Karl und die Großmächte. 563 
Abbitte zu nöthigen? Diese Formbedenken wußte Metternich, der Gönner 
des jungen Welfen, gewandt zu benutzen; so weit es die Rücksicht auf 
Preußen nur irgend erlaubte, nahm er Partei für den Braunschweiger 
und suchte die Entscheidung des Bundestags hinauszuschieben oder zu 
vereiteln. Als Wit v. Dörring jetzt, während die Klage noch schwebte, 
eine neue Schmähschrift veröffentlichte und Herzog Karl jede Mitwissen— 
schaft ableugnete, da stellte sich Metternich als ob er der dreisten Un— 
wahrheit Glauben schenke; der preußische Gesandte mußte ihm erst nach— 
weisen, daß Wit offenbar geheime Papiere des Herzogs benutzt hatte und 
in einzelnen Sätzen die bekannten bubenhaften Witze des Welfen wörtlich 
wiederkehrten.“) Auch Reinhard und Anstett arbeiteten am Bundestage 
insgeheim für den Braunschweiger, vermuthlich weil sie das Erstarken der 
Bundesgewalt fürchteten. 
Der entschiedenste Gegner des Herzogs war die Krone Preußen, die 
neuerdings mit England-Hannover sehr freundlich stand. Der junge 
Fürst hatte am Berliner Hofe allgemein mißfallen. Stein fand ihn un— 
sittlich, dünkelvoll, frech und leer; die Generale verziehen ihm nicht, daß 
er sich gegen die alten Ueberlieferungen seines Hauses ganz an Oester— 
reich anschloß und, unzweifelhaft auf Metternich's Rath, nicht um eine 
Stelle im preußischen Heere nachsuchte. König Friedrich Wilhelm empfand 
den Abscheu des ernsten Mannes gegen ein kindisches Treiben, das zu— 
gleich den Frieden im Deutschen Bunde und das Verfassungsrecht in 
Braunschweig gefährdete. Sein Unwille stieg, als die unermüdlichen braun- 
schweigischen Pamphletisten die welfische Winkeltyrannei sogar durch dema- 
gogische Schlagwörter zu beschönigen suchten: nur darum, hieß es jetzt, 
wolle Herzog Karl die neue Landschaftsordnung nicht beschwören, weil 
sie das Volk zu Gunsten des Adels übervortheile! In einem väterlichen 
Briefe ermahnte Friedrich Wilhelm den Herzog (December 1827), seine 
„unverdienten Vorwürfe“ zurückzjunehmen. Umsonst. Auch andere Ver- 
mittlungsversuche, welche Bernstorff im Verein mit Metternich unter- 
nahm, scheiterten an dem Starrsinn des Herzogs und der Unzuverlässigkeit 
Oesterreichs. 
Nunmehr hielt der König für unerläßlich, daß der Bundestag sein 
Ansehen gebrauche. Zeigte der Bund diesmal Ernst, so konnte Herzog 
Karl vielleicht vor weiteren Thorheiten behütet werden; jedenfalls ward 
dem Volke bewiesen, daß in Deutschland noch eine letzte Schranke fürst- 
licher Willkür bestehe. Der König betrachtete die Beilegung dieses Handels 
als eine Ehrensache des deutschen Fürstenstandes. Als sein Gesandter 
in London die naheliegende Frage aufwarf, ob man nicht den häus- 
lichen Streit der Welfen benutzen solle um durch eine sanfte Drohung 
auf Hannovers Zollpolitik zu drücken, da erwiderte Bernstorff sehr ernst: 
  
*) Maltzahn's Berichte, 9., 13. Febr. 1828. 
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