Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

König Ludwig von Baiern. 605 
zichtete auf alle Genüsse des Wohllebens um sich die Kosten für seine 
Kunstwerke abzusparen; aber wenn die Leidenschaft für ein schönes Weib 
ihn packte, dann vergaß er alle Selbstbeherrschung, alle Rücksicht auf 
seine trotz alledem geliebte Gemahlin, die Königin Therese und zeigte seine 
Neigung mit einer hellenischen Unbefangenheit, die in der nüchternen 
modernen Welt Aergerniß erregen mußte. 
Freilich trugen die Baiern selber einige Mitschuld an dieser naiven 
Rücksichtslosigkeit ihres Königs, da sie ihn schon bei seiner Thronbesteigung 
mit überschwänglichen Huldigungen begrüßten, die auch einen kühleren Kopf 
berauschen konnten. Thiersch sagte gradezu: „hier ist mehr als Friedrich!“ 
Platen verkündete die künstlerischen und politischen Hoffnungen des jungen 
Geschlechts in einer schwungvollen Ode: 
Du siehst im Marmor keinen Marmor, 
Aber ein künftiges Jovis-Antlitz. 
Ins Wappenschild uralter Sitte 
Fügst Du die Rosen der jüngsten Freiheit! 
Politisch bedeutsamer war eine hochpathetische Ansprache des Kurfürsten 
Maximilian J. an den neuen König, welche Görres im „Katholiken“ 
erscheinen ließ: da mahnte der Stifter der katholischen Liga, der gestrenge 
Bändiger der altbairischen Ständefreiheit seinen Enkel zur Verfassungstreue, 
zur Wahrung des confessionellen Friedens, zum Kampfe wider die Zeloten 
von zweierlei Art, welche Glauben und Geistesfreiheit für unvereinbar 
halten. Der leitende Gedanke der Schrift lag nicht in diesen schillernden 
liberalen Schlagworten, sondern in dem unzweideutigen Satze: König 
Ludwig solle ein Schirmvogt des katholischen Glaubens sein, „damit Baiern 
wieder werde, was es zuvor gewesen, ehe sie das Gegentheil ihm angelogen, 
ein Schild und Eckstein der deutschen Kirche“. Der clericale Demagog 
meinte in dem gekrönten Romantiker den Mann gefunden zu haben, der 
die vollständige Ausführung des Concordats nicht länger durch „sogenannte 
organische Edikte“ hemmen und „die böse Sekte des Verstandesfanatism“ 
aus dem rechtgläubigen Baierlande austreiben werde. An schwülstigen 
Lobsprüchen ließ er es nicht fehlen. 
Nun gar die kleinen bairischen Zeitungsschreiber überboten einander 
in Schmeicheleien, deren Plumpheit selbst im diplomatischen Corps Ekel 
erregte*): „Baierns Ludwig“ hieß der teutscheste der teutschen Fürsten, der 
Stern aller teutschgesinnten Männer, der Weise auf dem Throne; zum 
Namenstage seiner Gemahlin erschien der Mond am Himmel um unter— 
thänig Glück zu wünschen! Selbst sein militärisches Genie, das unter 
seinen mannigfachen Gaben unzweifelhaft die letzte Stelle einnahm, wurde 
gepriesen; man nannte ihn „den lorbeergekrönten Sieger von Pultusk“, 
obgleich die Veteranen alle wußten, wie unschuldig der damals einundzwanzig— 
  
*) Küster's Bericht, 11. Okt. 1826.
	        
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