Die Erübrigungen. 607
Gulden ausgegeben. „Das Recht ist mir heilig,“ schrieb König Ludwig an
Stein, „um so schwerer der Einnahme und Ausgabe Gleichgewichtssetzung,
aber mit Gottes Hilfe wird's gehen.“ Und es ging, freilich nicht ohne
vielfache Härten. Den Nachlaß seines Vaters, sogar den Degen und die
Gegenstände des täglichen Gebrauchs, ließ er alsbald versteigern, wie er
auch gegen seine Stiefmutter, Königin Karoline wenig Zartgefühl zeigte.
Die Ausgaben für den Hof wurden auf das Aeußerste eingeschränkt und
zur Prüfung des Staatshaushalts sofort zwei Ersparungscommissionen
gebildet, denen der Monarch selber vorsaß.
Zur allgemeinen Ueberraschung entließ der König außer seinem alten
Gegner Rechberg, dessen Sturz Jedermann erwartet hatte, auch seinen
langjährigen Vertrauten, den Finanzminister Lerchenfeld, weil er ihm nicht
rücksichtslos genug durchzugreifen schien. Endlich fand er einen Finanz-
minister nach seinem Herzen an dem Grafen Armansperg, einem geistreichen,
beweglichen jungen Weltmanne von liberalem Rufe. Der ging mit bureau-
kratischer Schärfe vor und erwarb sich bald im Volksmunde den Namen
Sparmansperg. Durch unnachsichtliche Streichungen gelang es schon im
Jahre 1827, den Kammern zum ersten male ein Jahresbudget ohne Deficit
vorzulegen. Aber die anfangs wohlthätige Sparsamkeit des neuen Regi-
ments wurde bald zur Plage. Kaum war das Gleichgewicht im Staats-
haushalte hergestellt, so verlangte der König, seine Behörden sollten von
ihren gesetzmäßigen Ausgaben auch noch „Erübrigungen“ erzielen, und diese
Erübrigungen betrachtete er unbedenklich als einen freien Gewinnst, mit
dem die Krone nach Belieben schalten dürfe. Daß eine fest begrenzte Civil-
liste „eine sehr unangenehme Sache“ sei, gestand er bereits in den ersten
Monaten seines constitutionellen Feuereifers dem Herzog von Nassau weh-
müthig zu;') für seine grandiosen Kunstpläne langte selbst der Reichthum
der Wittelsbacher nicht aus. Da sollten denn die Erübrigungen nachhelfen.
Die strebsamen Beamten beeiferten sich durch solche Ersparnisse um
die Gunst des Monarchen zu werben. Der Straßenbau, die Ablösung der
Grundlasten, die Pflege der Volksschulen und manche andere wichtige, aber
unscheinbare Aufgaben der Verwaltung wurden arg vernachlässigt. Am
schwersten litt das Heer unter dem sonderbaren Sparsysteme des königlichen
Kunstfreundes. Unter dem jubelnden Beifall der liberalen Welt setzte er
die Heeresausgaben sogleich um 1 Mill., dann noch weiter bis auf 5½ Mill.
Gulden herab, während der übersparsame Friedrich Wilhelm III. nach
Verhältniß der Bevölkerung doch mehr als das Doppelte, über 21 Mill.
Thaler, für das Kriegswesen ausgab; man war ja in den Mittelstaaten
gewohnt, die Sorge für die Vertheidigung des Vaterlandes gemächlich den
Preußen zu überlassen. Die Kopfzahl der Regimenter blieb unverändert,
da der König für seine bajuvarische Großmachtspolitik eines starken Heeres
*) Blittersdorff's Bericht, 9. Sept. 1826.