Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Verhandlung zwischen Preußen und Hessen. 633 
Nun erst war das Feld frei. Der König erlaubte den Beginn der 
Verhandlungen, und am 6. Januar 1828 erschien Staatsrath Hofmann 
in Berlin, derselbe, der einst bei der Begründung der hessischen Verfassung 
so wirksam mitgeholfen hatte, ein sachkundiger Geschäftsmann, von starkem 
Ehrgeiz, keineswegs unempfindlich für die Vortheile, welche beim Abschluß 
wichtiger Verträge dem Unterhändler zuzufallen pflegen. Der gewandte 
Mann hatte verstanden, zugleich mit den Liberalen ein gutes Einvernehmen 
zu unterhalten und sich im Vertrauen seines Fürsten zu behaupten; mit 
Wangenheim in Freundschaft zu leben, ohne den Großmächten verdächtig 
zu werden. Die handelspolitische Verständigung mit Preußen war ihm 
seit Jahren ein geläufiger Gedanke. In der diplomatischen Welt stritt 
man sich, ob Hofmann in Privatangelegenheiten eines hessischen Prinzen 
reise, oder den Verkauf der Kreuznacher Saline in Berlin vermitteln 
solle. So durch die Hinterthür, wie der Dieb in der Nacht, ist diese 
folgenreiche Entscheidung in unsere Geschichte eingetreten. Das Geheimniß 
war nur zu nöthig. In Darmstadt wünschten zwar Minister Grolmann 
und Prinz Emil aufrichtig die Verständigung mit Preußen; doch die 
österreichische Partei arbeitete in der Stille, ein voreiliges Wort konnte 
Alles verderben. 
Der hessische Bevollmächtigte beantragte nur die gegenseitige Herab- 
setzung einer langen Reihe von Zöllen auf ein Zehntel der bisherigen 
Sätze; als unerläßliche Bedingung stellte er den Kernsatz jenes Heidel- 
berger Protocolles auf: selbständige Zollverwaltung für Darmstadt. Als- 
bald trat ihm Motz entgegen mit dem Bedenken: Zollerleichterungen seien 
unfruchtbar, weitläuftig, gefährlich; Preußen müsse die vollständige An- 
nahme seines Zollgesetzes verlangen.) Unter solchen Umständen mußten die 
Verhandlungen entweder scheitern oder zu einem Compromisse führen: zur 
Bildung eines Zollvereins auf Grund des preußischen Zollgesetzes, aber 
mit selbständiger Zollverwaltung für beide Theile. Ueberraschend schnell, 
in wenigen Tagen wurde die Lösung gefunden, wonach die süddeutschen 
Cabinette in jahrelangen Verhandlungen getrachtet hatten. Am 11. Januar 
1828 fand die erste förmliche Conferenz im Finanzministerium statt, und 
hier wurde bereits von allen Seiten anerkannt, daß nur eine vollständige 
Vereinigung möglich sei: Darmstadt trat in das preußische Zollsystem ein; 
Preußen, längst bereit „über Formalitäten leicht hinwegzugehen“, gewährte 
  
*) Daß Motz den Vorschlag einer vollständigen Zollvereinigung zuerst ausgesprochen 
hat, gestand du Thil nachher selber zu, indem er (28. Febr. 1828) an Motz schricb: 
„Als Ew. Excellenz gegen den diesseitigen Bevollmächtigten äußerten, daß der Zweck, 
den man sich vorsetze, nur durch eine Zollvereinigung, nicht durch einen Handelsvertrag 
erreicht werden könne, sprachen Sie nur meine innerste Ueberzeugung aus; auch haben 
Sie uns nicht unvorbereitet für einen Gedanken gefunden, mit dem wir längst vertraut 
waren, und ich bekenne Ihnen mit aller Offenheit, daß wir nur deswegen nicht den 
ersten Vorschlag machten, weil wir fürchteten auf Bedingungen zu stoßen, die S. K. H. 
der Großherzog ohne Aufopferung Seiner Selbständigkeit nicht hätte eingehen können."“
	        
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