Verhandlung zwischen Preußen und Hessen. 633
Nun erst war das Feld frei. Der König erlaubte den Beginn der
Verhandlungen, und am 6. Januar 1828 erschien Staatsrath Hofmann
in Berlin, derselbe, der einst bei der Begründung der hessischen Verfassung
so wirksam mitgeholfen hatte, ein sachkundiger Geschäftsmann, von starkem
Ehrgeiz, keineswegs unempfindlich für die Vortheile, welche beim Abschluß
wichtiger Verträge dem Unterhändler zuzufallen pflegen. Der gewandte
Mann hatte verstanden, zugleich mit den Liberalen ein gutes Einvernehmen
zu unterhalten und sich im Vertrauen seines Fürsten zu behaupten; mit
Wangenheim in Freundschaft zu leben, ohne den Großmächten verdächtig
zu werden. Die handelspolitische Verständigung mit Preußen war ihm
seit Jahren ein geläufiger Gedanke. In der diplomatischen Welt stritt
man sich, ob Hofmann in Privatangelegenheiten eines hessischen Prinzen
reise, oder den Verkauf der Kreuznacher Saline in Berlin vermitteln
solle. So durch die Hinterthür, wie der Dieb in der Nacht, ist diese
folgenreiche Entscheidung in unsere Geschichte eingetreten. Das Geheimniß
war nur zu nöthig. In Darmstadt wünschten zwar Minister Grolmann
und Prinz Emil aufrichtig die Verständigung mit Preußen; doch die
österreichische Partei arbeitete in der Stille, ein voreiliges Wort konnte
Alles verderben.
Der hessische Bevollmächtigte beantragte nur die gegenseitige Herab-
setzung einer langen Reihe von Zöllen auf ein Zehntel der bisherigen
Sätze; als unerläßliche Bedingung stellte er den Kernsatz jenes Heidel-
berger Protocolles auf: selbständige Zollverwaltung für Darmstadt. Als-
bald trat ihm Motz entgegen mit dem Bedenken: Zollerleichterungen seien
unfruchtbar, weitläuftig, gefährlich; Preußen müsse die vollständige An-
nahme seines Zollgesetzes verlangen.) Unter solchen Umständen mußten die
Verhandlungen entweder scheitern oder zu einem Compromisse führen: zur
Bildung eines Zollvereins auf Grund des preußischen Zollgesetzes, aber
mit selbständiger Zollverwaltung für beide Theile. Ueberraschend schnell,
in wenigen Tagen wurde die Lösung gefunden, wonach die süddeutschen
Cabinette in jahrelangen Verhandlungen getrachtet hatten. Am 11. Januar
1828 fand die erste förmliche Conferenz im Finanzministerium statt, und
hier wurde bereits von allen Seiten anerkannt, daß nur eine vollständige
Vereinigung möglich sei: Darmstadt trat in das preußische Zollsystem ein;
Preußen, längst bereit „über Formalitäten leicht hinwegzugehen“, gewährte
*) Daß Motz den Vorschlag einer vollständigen Zollvereinigung zuerst ausgesprochen
hat, gestand du Thil nachher selber zu, indem er (28. Febr. 1828) an Motz schricb:
„Als Ew. Excellenz gegen den diesseitigen Bevollmächtigten äußerten, daß der Zweck,
den man sich vorsetze, nur durch eine Zollvereinigung, nicht durch einen Handelsvertrag
erreicht werden könne, sprachen Sie nur meine innerste Ueberzeugung aus; auch haben
Sie uns nicht unvorbereitet für einen Gedanken gefunden, mit dem wir längst vertraut
waren, und ich bekenne Ihnen mit aller Offenheit, daß wir nur deswegen nicht den
ersten Vorschlag machten, weil wir fürchteten auf Bedingungen zu stoßen, die S. K. H.
der Großherzog ohne Aufopferung Seiner Selbständigkeit nicht hätte eingehen können."“