634 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
dem Verbündeten gleiches Stimmrecht bei Abänderungen der Zollgesetze
und eine selbständige Zollverwaltung, die aber streng nach preußischem
Muster eingerichtet werden sollte. Mit diesem Entschlusse war alles
Wesentliche entschieden. Die nächste Conferenz vom 17. Januar behandelte
nur noch Detailfragen. Am 24. Januar berichtete Eichhorn dem Könige:
der Vertrag verspreche allein für Hessen finanzielle und volkswirthschaftliche
Vortheile, für Preußen dagegen einen großen politischen Gewinn, „da die
kleinen Staaten auf diesem Wege dauernd an uns gefesselt werden“.
Am 3. Februar genehmigte der König den Abschluß der Verhandlungen;
in seiner streng rechtlichen Gesinnung fügte er ausdrücklich die Bedingung
hinzu: „die deutschen Nachbarstaaten, besonders Baden, dürfen dadurch
nicht in ihrem Interesse gekränkt werden.“
So kam denn am 14. Februar 1828 jener denkwürdige Vertrag zu
Stande, der in Wahrheit die Verfassung des deutschen Zollvereins fest-
stellte. Er verhält sich zu den späteren Zollvereinsverträgen genau so,
wie die Verfassung des Norddeutschen Bundes zu der heutigen Reichs-
verfassung sich verhält. Durch den Zutritt anderer, größerer Mittelstaaten
haben sich späterhin die centrifugalen Kräfte des Zollvereins erheblich
verstärkt; einzelne Bestimmungen des Vertrags wurden im föderalistischen
Sinne abgeschwächt; doch die Fundamente des preußisch-hessischen Ver-
trags blieben unerschüttert. Darmstadt nahm die preußischen Zölle an und
gab überdies die vertrauliche Zusage, daß auch die wichtigsten preußischen
Consumtionssteuern eingeführt werden sollten. Der Kreis Wetzlar tritt
unter die darmstädtischen, das hessische Hinterland unter die westphälischen
Zollbehörden. Preußen ernennt einen Rath bei der Zolldirektion in
Darmstadt, Hessen desgleichen bei der Steuerdirektion zu Köln. Beide
Staaten beaufsichtigen wechselseitig ihre Hauptzollämter durch Controleure;
eine Conferenz von Bevollmächtigten vertheilt alljährlich die gemeinschaft-
lichen Einnahmen nach Verhältniß der Kopfzahl. Dergestalt war die
Rechtsgleichheit der Verbündeten, die souveräne Würde des darmstädtischen
Reiches mit peinlicher Sorgfalt gewahrt. Die milde Controle änderte
wenig an der Selbständigkeit der hessischen Zollverwaltung; der Verein
beruhte im Grunde nur auf gegenseitigem Vertrauen. Nach den bis-
herigen Leistungen kleinstaatlicher Zollverwaltung konnten die preußischen
Geschäftsmänner einen solchen Vertrag nicht ohne ernste Bedenken unter-
schreiben. Die hessische Regierung aber hat das gute Zutrauen gerecht-
fertigt, sie ließ das neue Zollwesen unter der einsichtigen Leitung des
Finanzraths Biersack fest und redlich durchführen. Diese deutsche Treue,
diese ehrenhafte Erfüllung der eingegangenen Verbindlichkeiten bildet über-
haupt das beste Verdienst, das die Mittelstaaten um den Zollverein
sich erworben haben; der Abschluß der Verträge selbst war nicht eine
freie patriotische That der kleinen Höfe, sondern ein Ergebniß der bitteren
Noth.