Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

636 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine. 
und Vorschläge, welche von der großherzoglichen Regierung ausgingen, 
entgegengenommen.““) 
Der neue Zollverein sollte bis zum 31. Dechr. 1834 dauern und 
dann, sofern keine Kündigung erfolge, auf weitere sechs Jahre verlängert 
werden. Das Recht der Kündigung blieb, wie schon die Sotzmann'sche 
Denkschrift voraussagt, die einzige Waffe, um Preußen sicherzustellen 
gegen den Mißbrauch des gleichen Stimmrechts. Handelsverträge schloß 
Preußen allein — denn der Zusatz „unter Mitwirkung und Zustimmung 
Darmstadts“ war praktisch werthlos. In allem Uebrigen bestand voll- 
ständige Gleichheit der Rechte. 
Auch um diesen Vertrag hat sich ein zielloser Prioritätsstreit erhoben. 
Der particularistische Neid will die Thatsache nicht zugeben, daß die Ver- 
fassung des Zollvereins in Berlin ersonnen wurde. Man behauptet, der 
preußisch-hessische Verein sei lediglich dem bairisch-württembergischen Ver- 
eine nachgebildet worden, welcher einige Wochen vorher, am 18. Jan. 1828, 
zu Stande kam und ebenfalls das gleiche Stimmrecht, die selbständige Zoll- 
verwaltung der Bundesgenossen anerkannte. Ein Blick auf die Tages- 
und Jahreszahlen genügt, um dies Märchen zu widerlegen. Der Fun- 
damentalsatz der Zollvereinsverfassung, die Parität und Unabhängigkeit 
der Bundesgenossen, wurde in der Conferenz vom 11. Januar zwischen 
Preußen und Darmstadt vereinbart, acht Tage bevor der bairisch-württem- 
bergische Vertrag abgeschlossen wurde — in einem Augenblicke, da man 
zu Berlin den Gang der Münchener Verhandlungen noch nicht näher 
kannte. Die neueste aus München eingelaufene Nachricht sagte nur: noch 
bleibe zweifelhaft, ob der süddeutsche Verein gemeinsame und getrennte 
Zollverwaltung haben solle, das Letztere sei allerdings wahrscheinlicher.“) 
Der Gedanke lag eben in der Luft, er ergab sich mit Nothwendigkeit aus 
den fruchtlosen Zollverhandlungen der jüngsten Jahre, er wurde von den 
norddeutschen und von den süddeutschen Zollverbündeten gleichzeitig ange- 
nommen, ohne daß sie von einander wußten. Im Grunde ist der ganze 
Streit müßig. Der Entschluß, von dem die Zukunft deutscher Handels- 
politik abhing, konnte nur in Berlin gefaßt werden. Ob Baiern und 
Württemberg einander die Parität zugestanden, war gleichgiltig. Doch ob 
die norddeutsche Großmacht die unerhörte Selbstverleugnung finden würde, 
mit einem Staate dritten Ranges sich bescheiden auf eine Linie zu stellen — 
an dieser Frage hing Alles. Sobald Preußen diesen Entschluß faßte, war 
dem Souveränitätsdünkel der kleinen Höfe der letzte Vorwand genommen 
und die Bahn gebrochen für Deutschlands Handelseinheit. Dem gewissen- 
haften Notizensammler soll unvergessen bleiben, daß Baiern und Würt- 
temberg den „ersten“ Zollverein in Deutschland gründeten, ihre Verhand- 
  
*) Eichhorn's Bericht an den König, 21. Febr. 1828. 
*“) Küster's Bericht, 10. Dec. 1827.
	        
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