638 III. 8. Der Zollkrieg und die ersten Zollvereine.
in den Kammern fast völlig verstummt. Graf Lehrbach, der den Minister
wegen Landesverraths verklagen wollte, stand vereinsamt; der Abgeordnete
Schenk aber dankte der Regierung und schloß gemüthlich: Das einzige
Mittel gegen den Wunsch nach politischer Einheit ist die Zolleinigung!
Mit Selbstgefühl verwies Hofmann auf die günstigen Rechnungsabschlüsse
und sagte „mit voller Zuversicht dieser auf gegenseitige Vortheile gegründeten
Verbündung Bestand und Dauer voraus: so werden Sie hoffentlich bald
dasjenige verwirklicht sehen, was noch vor wenigen Jahren zwar Gegen-
stand Ihrer angelegentlichsten Wünsche war, aber nach so vielen vergeblichen
Verhandlungen kaum in dem Reiche der Möglichkeit zu liegen schien.“)
Auch in Preußen hielten die Klagen der Geschäftswelt, die sich anfangs
laut genug erhoben, nicht lange vor. Unterdessen hatte der König sein
gesammtes thüringisches Gebiet in die Zolllinie aufgenommen; die Lage
der ernestinischen Fürstenthümer ward fast unerträglich. Es schien un-
denkbar, daß Kurhessen und Thüringen, also von allen Seiten umklammert,
ihren thörichten Widerstand fortsetzen sollten.
Und doch sollte das Undenkbare geschehen. Auf das erste Gerücht
hin versuchten allerdings einige Kleinstaaten sich den Verbündeten zu nähern
— lediglich in der Absicht den Inhalt des Vertrags, der noch streng geheim
gehalten wurde, zu erfahren. Präsident Krafft in Meiningen schrieb an
Hofmann, bat um Aufklärung, deutete gewichtig an, daß Meiningen viel-
leicht dem hessischen Beispiele folgen werde, wenn man nur die Macht-
stellung dieses Reiches nach Gebühr würdige: „Die Lage des Landes
Meiningen läßt seinen Werth den geographischen Umfang desselben über-
schreiten, indem mehrere der frequentesten Landstraßen die Handelsplätze
an den Küsten der Nordsee mit einem bedeutenden Theile des südlichen
Deutschlands, der Schweiz und Italiens verbinden, und Preußen, Baiern
und Kurhessen zu seinen wichtigeren Grenznachbarn gehören.“““") Die
Meininger Welthandelsstraßen boten unleugbar auf der Landkarte einen
sehr stattlichen Anblick; gebaut waren sie freilich noch nicht, auch besaß
das Ländchen durchaus nicht die Mittel sie jemals zu bauen. Motz, dem
die Naturgeschichte des deutschen Kleinstaats einen unerschöpflichen Qnell
der Ergötzung bot, sendete das Meininger Schreiben an Hofmann zurück
und versicherte, die geographische Bedeutung des Herzogthums sei ihm ganz
neu; dann schloß er wehmüthig: „es ist betrübt, wenn solche überspannte
Diener dazu beitragen, daß dem Souveränitätsdünkel ihrer Fürsten auch
noch ein Straßendünkel hinzugefügt wird.“ Der Vorfall blieb dem klugen
Manne unvergessen; der Meininger Straßendünkel sollte zur rechten Stunde
noch eine Rolle spielen in der deutschen Geschichte. Noch durchsichtiger war
ein diplomatisches Kunststück der freien Stadt Frankfurt. Der alte Roth=
*) Hofmann, Bericht über die Finanzperioden 1824—1829.
**) Krafft an Hofmann, 15. März 1828.